Volkskrankheit - ePaper

Haltbare Liebe
Ratio schlägt
Romantik
S. 52
8. Februar 2015
Nr. 6
B
Kinderzimmer live
Wo deutsche Teenager
fast alles preisgeben
Philipp Lahm – und seine
Karriere mit Kosmetik S. 21
Städte im Meer – wenn
Architekten träumen S. 57
S. 13
International Newspaper Of The Year | Gegründet 1948 | World’s Best-Designed Newspaper
**
Preis
D
€ 3,70
ISLAMISCHER STAAT
Kriegsverbrechen
Volkskrankheit
Deutsche Dschihadisten, die sich der
Terrororganisation „Islamischer Staat“
(IS) angeschlossen haben, könnten nach
ihrer Rückkehr nach Deutschland wegen
Kriegsverbrechen angeklagt werden.
Das erfuhr die „Welt am Sonntag“ aus
Justizkreisen. Demnach ermittelt die
Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bereits
in mindestens zwei Fällen wegen des
Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen in Syrien. Bei den Verdächtigen soll es sich nach Informationen
dieser Zeitung um Denis Cuspert aus
Berlin und Fared S. aus Bonn handeln.
Angst
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ZENTREN IN AFRIKA
Sie lähmt, treibt an und zermürbt.
Millionen von Deutschen leben mit
einer Angststörung – und hoffen
auf einen Weg aus dem Leid Titelthema
DOMINIK BUTZMANN
Neue Asyl-Idee
NSA-AUSSCHUSS
KINDERÄRZTE
Aufklärer der Union
legt sich mit BND an
Zu wenig Praxen für
Neugeborene
Der Obmann der Unionsfraktion im NSA-Untersuchungsausschuss, Roderich Kiesewetter, macht
dem Bundesnachrichtendienst (BND) schwere
Vorwürfe. Der CDU-Politiker bestätigte Recherchen der „Welt am Sonntag“, wonach er seine
Unabhängigkeit durch Aktivitäten des Nachrichtendienstes in seinem Umfeld im Reservistenverband beschädigt sieht. Führende Vertreter
haben nach Informationen dieser Zeitung jahrelang mit dem BND kooperiert, ohne Kiesewetter
einzuweihen.
Kiesewetter, der dem Verband als Präsident
vorsteht, erklärte auf Anfrage: „Nachdem ich von
den Vorgängen im Reservistenverband erfuhr, habe ich die Arbeit des Verbandes durch den Bundesnachrichtendienst kompromittiert gesehen.
Um möglichen Zweifeln an meiner Unvoreingenommenheit im NSA-Untersuchungsausschuss
entgegenzuwirken, habe ich mich konsequent und
rasch entschieden, als Obmann zurückzutreten,
und möchte dies nicht weiter kommentieren.“
Ursprünglich hatte Kiesewetter Anfang Januar
seinen Abschied aus dem Gremium mit anderen
parlamentarischen Herausforderungen begründet.
Intern führte Kiesewetter jedoch bereits damals
BND-Aktivitäten in dem Verband an. Als er Ende
vergangenen Jahres davon erfahren hatte, sah er
sich, der oftmals die Dienste unterstützte, unnötig
diskreditiert. Der Bundesnachrichtendienst lehnte
eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.
Die neue Enthüllung droht das Klima im Ausschuss weiter zu beschädigen. Während die Dienste den Abgeordneten die Weitergabe von Geheimnissen vorwerfen, sehen sich die Parlamentarier
zu Unrecht beschuldigt und diskreditiert.
Deutschlands Kinderärzte warnen davor, dass Eltern künftig vielerorts lange nach einer Arztpraxis
für ihre Neugeborenen suchen müssen. Schon
jetzt gebe es stellenweise deutlich zu wenige Kinderärzte, sagte der Präsident des Berufsverbandes
der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Wolfram
Hartmann, der „Welt am Sonntag“. „Momentan
gibt es in der ambulanten Versorgung einen Mangel insbesondere in einigen Bereichen von Großstädten wie Berlin und Köln, aber auch in ländlichen Regionen der großen Flächenstaaten. In Bayern und einigen anderen Bundesländern gibt es
Regionen, in denen Eltern 30 oder 40 Autominuten bis zum nächsten Kinderarzt fahren müssen.“
Das unabhängige Berliner Forschungsinstitut
Iges hat anhand von Daten der Kassenärztlichen
Vereinigungen berechnet, dass in den kommenden
Jahren bundesweit 1365 Kinderarztpraxen geschlossen werden könnten.
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600
Zwischenfälle wegen kontaminierter Kabinenluft
in Passagierflugzeugen wurden in den vergangenen zwei Jahren bei der zuständigen Berufsgenossenschaft gemeldet. Nach neuen Zahlen aus dem
Bundesverkehrsministerium wurde das Problem
über Jahre verharmlost. Besonders betroffen sind
demnach Boeing-757-Maschinen, die vor allem die
Ferienfluglinie Condor einsetzt.
US-Politiker greifen
Angela Merkel scharf an
Welche Farbe hat Dein Glück?
Die Kanzlerin will keine Waffenlieferungen an die Ukraine
n der Ukraine-Frage ist es auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag zu
einem Schlagabtausch zwischen Deutschen
und Amerikanern gekommen. Während Angela Merkel sich bei ihrem Auftritt erneut
vehement gegen Waffenlieferungen an die Ukraine
gewandt und ihre Position bekräftigt hat, dass es
„keine militärische Lösung für den Konflikt“ gebe,
hielt der republikanische Senator Lindsey Graham
dagegen. Es bilde sich im US-Kongress gerade ein
I
VON C. C. MALZAHN, THORSTEN JUNGHOLT
UND CLEMENS WERGIN
überparteilicher Konsens für Waffenlieferungen
heraus, behauptete Graham. „Ich denke, Sie machen einen großen Fehler“, sagte er an die Adresse
der Bundeskanzlerin gerichtet.
Doch Angela Merkel, die in den vergangenen Tagen mit dem französischen Präsidenten François
Hollande zu Blitzbesuchen nach Kiew und Moskau
gereist war, ließ sich auch in München nicht beirren. Unter ihren Zuhörern saß auch US-Senator
John McCain, der Merkel wegen ihrer Ukraine-Politik massiv angegriffen und ihr „keine Ahnung“ attestiert hatte. Merkels Haltung erinnere ihn an die
Appeasement-Politik der 30er-Jahre.
Vergangene Woche hatte ein Experten-Gremium von drei amerikanischen Thinktanks der Obama-Regierung in einem Strategiepapier empfohlen,
Waffen an die Ukraine zu liefern. Die Rede ist von
Drohnen, waffenbestückten Humvees und Abwehrraketen. Die These: Je höher die Kosten und
der Blutzoll für Putin, umso wahrscheinlicher werde eine Verhandlungslösung. An einen militärischen Sieg der Ukraine glauben aber weder die
Autoren des Papiers noch die Befürworter von
Waffenlieferungen aus der US-Politik. Die Vorstöße sind deshalb auch in den USA umstritten. So
hatte Jeremy Shapiro, ehemaliger außenpolitischer
Berater von Hillary Clinton, den Thinktank-Strategen vorgeworfen, ihre Strategie auf eine leichtfertige Hypothese „und das Leiden des russischen
Volkes“ zu gründen.
Die US-Regierung hat zu der Frage von Waffenlieferungen bisher noch keine eindeutige Position
bezogen. Vizepräsident Joe Biden erklärte in München, auch er glaube nicht an eine militärische
Lösung des Konflikts. Das Ziel sei ein ehrenwerter
Frieden. Doch habe auch die Ukraine ein Recht auf
Selbstverteidigung. Biden griff den russischen
Präsidenten direkt an: Die erfahrenen Kämpfer
aufseiten der Separatisten unterstünden Putins
direktem Befehl.
Die Bundesregierung erwartet zumindest für die
Dauer des jüngsten Verhandlungsvorstoßes der
Kanzlerin keine US-Waffenlieferungen an Kiew.
Angela Merkel verbitte sich entsprechende Maßnahmen. Ein US-Alleingang würde die Kanzlerin
brüskieren – deswegen sei er unwahrscheinlich.
Der Chef der Sicherheitskonferenz, Wolfgang
Ischinger, setzt indessen weiter auf Diplomatie.
Man müsse einen Weg finden, der zum Ende der
Krise führe, „ohne dass Putin sein Gesicht verliert.
Dafür wird man strategische Geduld benötigen.“
Seiten 2, 3 und 11
Orang-Utans gehören zu Deutschland
er Berliner Zoo hat ernste Probleme. Seit dem legendären Knut
ist dem Unternehmen kein ähnlicher Triumph mehr gelungen. Besucherzahlen gehen zurück, die Stimmung unter den Mitarbeitern ist gereizt, gestern
traten die Faultiere in einen unbefristeten Streik.
Immer wieder hat der Zoo versucht, an alte Erfolge anzuknüpfen, und ist kläglich gescheitert.
Zum Beispiel Rieke, sie wurde, genau wie Knut,
von der Mutter verstoßen und vom Pflegepersonal
aufgezogen. Doch wie sich erst nach langwierigen
Untersuchungen herausstellte, handelt es sich
nicht um ein Eisbärenbaby, sondern nur um einen
Orang-Utan. Ein schwerer Schlag für den Zoo,
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Angesichts der weltweit steigenden
Flüchtlingszahlen zeigen sich führende
Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen offen für die Einrichtung von
Asylzentren in Nordafrika. „Ausreisezentren für Flüchtlinge in nordafrikanischen Staaten können sinnvoll sein,
wenn die betroffenen Transitstaaten
zustimmen und solche Zentren zu einer
nachhaltigen Verringerung der illegalen
Zuwanderung führen“, sagte CSULandesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt.
Der Städte- und Gemeindebund dringt
auf solche Einrichtungen.
Sigmar Gabriel zog seine Zustimmung
zur Übernahme einer Patenschaft zurück, Sebastian Edathy wäre wohl noch
immer bereit, aber die Zooverwaltung ist
vorsichtig geworden bei der Vermittlung
von Tierkindern an SPD-Politiker. Bei
der Union verweist man auf Alexander
Dobrindt, der angeblich aus einer alten Primatenfamilie stammt. Die FDP fühlt sich allen vom Aussterben bedrohten Tierarten verbunden, hat aber
im Moment kein Geld. Die Grünen unterstützen
nur regionale Tiererzeugnisse, ähnlich sieht es bei
der AfD aus. Die Partei lehnt es auf Beschluss der
Basis ab, ausländische Tiere zu fördern. Auch
wenn das Orang-Utan-Baby noch so süß aussieht,
nimmt es deutschen Affen den Arbeitsplatz weg.
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ISSN 0949 – 7188
WELT AM SONNTAG BERLIN-2015-02-08-swonl-89 e6ab4a567ef421e9af4c404fc8119330
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Befreiungsschlag
Die Tristesse hat für Borussia Dortmund
ein Ende: Beim ebenfalls abstiegsgefährdeten SC Freiburg gelang dem BVB der
lang ersehnte Sieg. In Mainz feierte der
neue Hertha-Trainer Pal Dardai einen
glänzenden Einstand. Ebenso wie
32-Millionen-Euro-Stareinkauf André
Schürrle in Wolfsburg. Seiten 21 bis 23
Freitag
Schalke – Mönchengladbach.................... 1 : 0
Samstag
Wolfsburg – Hoffenheim .......................... 3 : 0
Mainz – Hertha.......................................... 0 : 2
Freiburg – Dortmund................................ 0 : 3
Stuttgart – München................................. 0 : 2
Köln – Paderborn ...................................... 0 : 0
Hamburg – Hannover ................................ 2 : 1
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