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Fragen und Antworten zur ärztlichen Gebührenordnung (GOÄ)
Die Bundesärztekammer (BÄK) hat ein Frage-und-Antwort-Papier zum Thema GOÄ-Novelle
publiziert. Zur Information der weitgehend uninformiert gebliebenen Ärzteschaft legt die Freie
Ärzteschaft nun einen alternativen Frage-und-Antwort-Katalog vor, der die wirklich wichtigen
und für den freien Arztberuf entscheidenden Fragen wieder ins Zentrum der Debatte rückt.
Stimmt es, dass niemand bisher wusste, dass die Honorarordnungen der freien Berufe nicht
von diesen selbst, sondern vom Gesetzgeber als Rechtsverordnung erlassen werden?
FALSCH – das ist allen Beteiligten bekannt. Tatsächlich aber haben alle freien Berufe ein Initiativrecht, den Entwurf des sie betreffenden Gebührenwerkes selbst auszuarbeiten und dem Normgeber
vorzulegen. Anschließend prüft der Normgeber diesen Entwurf, in engen Grenzen an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden, auf Rechtsfehler und setzt ihn dann in eine
Rechtsverordnung um. Das war auch bei den bisherigen Versionen der GOÄ stets der Fall und
verkörpert das Prinzip Subsidiarität.
Stimmt es, dass das zuständige Bundesministerium eine so vorgelegte Gebührenordnung
problemlos kassieren kann, weil ihm beispielsweise die finanziellen Folgen für die Beamtenbeihilfe oder die Interessen der Versicherungswirtschaft nicht opportun erscheinen?
FALSCH – die stehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts räumt den ärztlichen
Ansprüchen – außerhalb des Fünften Sozialgesetzbuchs – einen hohen Rang i. S. des Grundgesetzartikels 12 (Freiheit der Berufsausübung) ein, der seine Grenze nur in einem „Überforderungsverbot“
findet. Also dort, wo eine Übervorteilung des zahlungspflichtigen Patienten droht. Und der Artikel 12
verbietet darüberhinaus eine Nötigung des Arztes zum Tätigkeitwerden unter Erstellungskosten.
Stimmt es, dass Wünsche des Ministeriums nach Einbeziehung der Versicherungswirtschaft
in die Erarbeitung einer ärztlichen Gebührenordnung und nach umfassender Geheimhaltung
des Verhandlungsgangs gegenüber der betroffenen Ärzteschaft von der federführenden BÄKKommission ohne Aussicht auf Gegenwehr strikt zu befolgen sind?
FALSCH – die Hereinnahme von börsennotierten Versicherungsunternehmen bzw. staatlichen
Stellen als Mitautoren der ärztlichen Gebührenordnung ist auf dem Gebiet von Honorarregelungen
der freien Berufe ohne Parallele. Aufgabe ärztlicher Standesvertretung ist entschiedenes, wo nötig
auch strittiges Eintreten für unverhandelbare Kernbelange. Genauso falsch ist es gewesen, einer
beispiellosen „Verschwiegenheitsabsprache“ gegenüber der deutschen Ärzteschaft beizutreten. Hier
hat erkennbar politischer Mut zum zielführenden Konflikt gefehlt.
Stimmt es, dass es im Interesse einer für die Ärzteschaft akzeptablen Novelle der GOÄ liegt,
wenn der Wunsch des Ministeriums nach Stillschweigen zu allen relevanten Inhalten des
neuen Regelwerks hingenommen wird, um so keine weitere Zeit mehr zu verlieren?
FALSCH – einmal abgesehen davon, dass man angesichts der geradezu endlosen Vorgeschichte
der anhängigen Novelle kaum ernsthaft mehr von „zügig“ reden darf, ist v. a. der unterschiedliche
Wissensstand von PKV und Ärzten als gravierender Fehler einstufen: Der in derartigen Vertragsprojekten mit Fachpersonal und Instituten professionell aufgestellten Versicherungswirtschaft steht
eine geradezu winzige Gruppe von drei Verantwortlichen auf Seiten der BÄK gegenüber, hinter sich
eine in nahezu allen Aspekten der Novelle uninformierte Ärzteschaft.
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Ungleichgewicht der institutionellen Ressourcen, fehlende Rückbindung der Verhandler an ihren
Auftraggeber Ärzteschaft, das Gebot des Stillschweigens zu einem derart fundamentalen
Paradigmenwechsel mit durchschlagenden Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der
freiberuflich und mittelständisch praktizierten ambulanten Medizin in Deutschland – hier sind
schwerwiegende Konstruktions- und Verfahrensfehler aufgelaufen, die ein „Weiter so!“ auf dem
eingeschlagenen Weg verbieten.
Stimmt es, dass die neu gebildete gemeinsame Kommission (GeKo) im Grunde gar nichts
anderes ist als der bestehende Konsultationsausschuss Ärzte?
FALSCH – bisher war das lediglich ein von der deutschen Ärzteschaft selbst qua BÄK eingesetzter
Ausschuss mit beratender Funktion. Jetzt wird an seiner Stelle – über ein Bundesgesetz und unter
Änderung der Bundesärzteordnung – direkt unterhalb des Ministeriums eine Kommission eingesetzt,
die ihre Entscheidungen nach Konsensgebot treffen muss. In dieser geplanten Kommission herrscht
künftig Parität zwischen Ärzten und Kostenträgern. PKV und Beihilfe erwirken so erstmalig das
Vetorecht! Im Konfliktfall wird künftig vom Ministerium geschiedst.
Stimmt es, dass durch die avisierte „Erprobung innovativer Versorgungselemente“ auf
Grundlage der Änderung des § 11 der Bundesärzteordnung ein tatsächliches Manko der
bisherigen ärztlichen Gebührenordnungen getilgt wird?
FALSCH – der Terminus „Versorgung“ ist dem Regelungsauftrag der ärztlichen Gebührenordnung
vollkommen fremd und hat in der individuellen Vertragsbeziehung gemäß GOÄ nichts zu suchen. Er
bezieht sich erkennbar auf den entsprechenden Sicherstellungsauftrag des vertragsärztlichen
Bereichs, welcher durch das Fünfte Sozialgesetzbuch definiert wird. In der individuellen Vertragssphäre zwischen Arzt und Patient besteht keinerlei Auftragsübernahme zur Versorgung großer
Kollektive, wie sie im Bereich der GKV durch die Verträge der Gemeinsamen Selbstverwaltung
definiert wird.
Waren die PKV und Beihilfe im derzeitigen Konsultationsauschuss denn auch bisher schon
mit der Förderung und Sicherung der Qualität ärztlicher Arbeit betraut?
FALSCH – die Förderung und Sicherung der Qualität ärztlicher Tätigkeit im Vertragsverhältnis
zwischen Arzt und Patient liegen bisher subsidiär in der Hand der ärztlichen Körperschaften und der
ärztlichen Fachgesellschaften. Das exakt beschreibt der Begriff Selbstverwaltung.
Stimmt es, dass eine Durchsetzung von „wirtschaftlicher Leistungserbringung“ künftig auch
im Geltungsbereich der GOÄ im Interesse der deutschen Ärzteschaft liegt und eine derartige
Beauftragung der GeKo mittels Bundesärzteordnung daher von der BÄK angestrebt werden
soll?
FALSCH – der Begriff der „Wirtschaftlichkeit“ stammt aus dem Fünften Sozialgesetzbuch und
bedeutet grundsätzlich, dass die ärztliche Kunst unter dem Vorbehalt der Lohnnebenkostenstabilität
steht. In der GOÄ gab es diesen Begriff jedoch nicht. Für Erstattungen der PKV haben ärztliche
Leistungen bislang lediglich „notwendig“ zu sein – also keine reinen Wunschleistungen.
Stimmt es, dass die Hereinnahme der PKV und der Beihilfe in die GeKo abschließend ist, und
dass künftig nicht noch mehr arztfremde Gruppen in unserer ärztlichen Gebührenordnung
mitgestalten wollen?
FALSCH – andere Heilberufe stehen bereits in den Startlöchern. Sogar die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert bereits Sitz und Stimme in der GeKo.
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Stimmt es, dass die Ärzteschaft es – außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung – auch
künftig in der Hand behält, über die angemessene Abbildung des medizinischen Fortschritts
selbst zu entscheiden?
FALSCH – das durch das Fünfte Sozialgesetzbuch eingeführte paritätische Gremienmodell mit
Bewertungsausschuss und gemeinsamem Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen fand
bisher in der privaten Vertragsbeziehung zwischen Arzt und Patient keine Anwendung. Künftig
erhalten Versicherungswirtschaft und Staat durch Parität in der GeKo Sitz, Stimme und Vetorecht
auch in diesen Belangen bislang rein ärztlicher Kompetenz.
Stimmt es, dass der Arzt mit der novellierten GOÄ auch in Zukunft eine am individuellen
Krankheitsgeschehen ausgerichtete, an Notwendigkeit und Aufwand orientierte, differenzierte
Rechnungslegung erstellen kann?
FALSCH – durch die Dominanz des neuen, kaum noch umgehbaren „robusten Einfachsatzes“,
flankiert von bindenden Positiv- und Negativlisten, wird eine Schematisierung unserer Liquidationen
erzwungen, die vor allem den Verwaltungsaufwand der Kostenträger reduziert. Ein für PKV und
Beihilfe durchaus stolzes Verhandlungsresultat.
Stimmt es, dass auch künftig abweichende Honorarvereinbarungen zwischen Arzt und
Patienten wie bisher möglich sind?
FALSCH – auch jede abweichende Honorarvereinbarung nach § 2 GOÄ wird in der „GOÄneu“ wie
geschildert gezielt eingeschränkt. Die von der GeKo verfasste Negativliste ist auch für den Abschluss
abweichender Honorarvereinbarungen verbindlich. Wenn die GeKo einen Behandlungsumstand in
diese Negativliste aufnimmt, führt das automatisch dazu, dass dieser nicht mehr als Begründung für
eine abweichende Honorarvereinbarung dienen darf.
Stimmt es, dass der robuste Einfachsatz eine Honorargarantie für den Arzt darstellt und
grundsätzlich vor Unterschreitung geschützt ist?
FALSCH – eine Vielzahl von Sonderregelungen (Sozialtarife etc.) führt zur systematischen
Unterschreitung dieser offenbar an der Idee eines „Mindestlohns“ orientierten Untergrenze.
Stimmt es, dass es eine zweistellige Erhöhung der Honorare in der GOÄ geben wird, besser
noch einen vom Deutschen Ärztetag ja mehrfach geforderten Inflationsausgleich?
FALSCH – avisiert ist ein „Korridor“ für die Honorarentwicklung mit einer Ober- und einer Untergrenze, der aber bislang weder vereinbart noch der Ärzteschaft gegenüber in seiner Konzeption
bekannt geben worden ist. Für einige Fachgruppen dürfte dabei sogar eine negative Obergrenze
abzusehen sein. Von der Bundesärztekammer werden tatsächlich reale Verluste in Kauf genommen.
Insgesamt wird die Deutsche Ärzteschaft im Unklaren gelassen, welche Honoraranhebung in Prozent
die BÄK eigentlich insgesamt oder für die einzelnen Fachgruppen fordert.
Stimmt es, dass es in der GOÄ auch künftig kein „Gesamtbudget“ geben soll, wie es für den
EBM gilt? Und dass „floatende Bewertungen“ mit Sicherheit ausgeschlossen sind?
FALSCH – der feste Preis jeder erklärtermaßen betriebswirtschaftlich kalkulierten Leistung findet
seine Grenze am vereinbarten Auftrag der GeKo, innerhalb von 36 Monaten nach Inkrafttreten der
GOÄ „unerwünschte bzw. unbegründete Honorarentwicklungen zu vermeiden“ und „Über- und
Unterbewertungen zu beseitigen“. Das Ziel von PKV und Beihilfe dürfte es dabei sein, ihre Kosten
durch Veto gegenüber neuen Leistungen oder die Absenkung der Bewertung bestehender
Leistungen zu reduzieren.
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Stimmt es, dass eine Übertragung des Morbiditätsrisikos von der PKV/Beihilfe auf die
Ärzteschaft künftig ausgeschlossen ist?
FALSCH – die vorgesehene Einhaltung eines "Honorarkorridors“ soll nach Inkrafttreten der GOÄ drei
Jahre lang anhand von Abrechnungsdaten geprüft werden. Dies entspricht dann einer Art von
„Budgetprüfung“. Hierdurch wird für Arzt und Patient auch in der bisher individualvertraglichen
Sphäre faktisch eine Bindung an einen Kollektivvertrag implementiert, wie er seit langem im Bereich
der GKV zur Ausgabenbegrenzung realisiert wurde.
Stimmt es, dass es Aufgabe der Bundesärztekammer ist, die PKV vor einer finanziellen
Überforderung zu schützen?
FALSCH – wenn es in der GOÄ um einen Schutz vor Überforderung geht, dann in Bezug auf den
Patienten. Der jahrzehntelang vorenthaltene Kaufkraftverlust hat die Unterbezahlung von 30 Prozent
aller ärztlichen Leistungen bewirkt und so nennenswert zu den 100 Mrd. Euro an Rückstellungen der
PKV-Unternehmen beigetragen. Es kann nicht Aufgabe der Ärzteschaft sein, den privaten
Versicherungskonzernen das Geschäftsrisiko abzunehmen – dies muss bei den Versicherungen
verbleiben und von ihnen über die Ausgestaltung der Versicherungsverträge bewältigt werden.
Stimmt es, dass wie angeführt einem öffentlichen Eindruck von ärztlicher Geldgier Vorschub
geleistet wird, wenn sich selbstständige Angehörige eines freien Berufs für ihre eigene
Honorarordnung einsetzen?
FALSCH – unabhängig von gesellschaftlichen Herausforderungen wie Oder-Hochwasser, Kriegsflüchtlingen oder Eurokrise ist es die Pflicht freiberuflicher Ärzte, für die Nachhaltigkeit ihres selbst
verantworteten Angebots zugunsten der gesamten Bevölkerung das betriebswirtschaftliche
Fundament ihrer Betriebe zu sichern.
Stimmt es, dass vor Abschluss der Verhandlungen keinerlei Abschätzung der Auswirkungen
der GOÄneu auf die Honorarentwicklung möglich ist?
FALSCH – wie bei allen ähnlich gelagerten Verfahren in Politik und Wirtschaft üblich und unverzichtbar sind auch hier prognostische Abschätzungen der Auswirkungen auf die Betroffenen mittels
Modellrechnungen zu verlangen. Wenn dem nicht so wäre, wäre der eingeschlagene, kooperative
Verhandlungsweg mit der ökonomischen Gegenseite ja überhaupt nicht zu verantworten.
Stimmt es, dass sämtliche Ergebnisse des Verhandlungsprozesses zwischen den
Kostenträgern und der BÄK über eine klare Legitimation durch Abstimmungen auf den
Deutschen Ärztetagen verfügen?
FALSCH – bei keinem der angeführten Plenarbeschlüsse wurden den Abgeordneten – weder vor
noch während der Verhandlungen – belastbare Unterlagen zu Inhalten, Definitionen, Bewertungen,
Mechanismen der Beschlussbildung, Konfliktlösung und der sogenannten „Begrenzung von
unerwünschter Honorarentwicklung“ zugänglich gemacht. Grundlage sämtlicher Abstimmungen
waren nicht etwa konkretisierte Verhandlungsziele und -ergebnisse sondern zumeist faktenfreie,
deklamatorische Bekenntnisse der Verhandler. Der Ärztetag votierte trotzdem für patientenindividuelle Abrechnung und lehnt jegliche „EBM-isierung“ der GOÄ ab.
Essen, 06.01.2016
Weiterbildungsordnung, Berufsordnung, Honorarordnung –
die drei machen den Freien Beruf.
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