K07_05.PDF

Einleitung
Inhalt
Suchen
7 z 05 01
Hilfe
Treffer
Strukturelle Probleme radiologischer Abteilungen
an kommunalen und frei-gemeinnützigen Kliniken
7 z 05
Josef K. Gmeinwieser
Februar 2000
inhaltsüberblick
Der Beitrag schildert die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie. Als hochtechnisiertes Fach benötigt
die Radiologie für die Neu- und Ersatzbeschaffung von
Röntgenanlagen, Computertomographen und Kernspintomographen wesentlich höhere Mittel als die anderen medizinischen Fachgebiete. Da die staatliche Förderung den Investitionsbedarf über die Pauschalfördermittel nur zu maximal 50% abdeckt, ist der Bestand vieler Röntgenabteilungen kleiner und mittlerer Plankrankenhäuser gefährdet.
Die Ursachen und mögliche Lösungen werden aufgezeigt.
7 z 05 | 01
Einleitung
Die Existenzberechtigung klinikeigener Röntgenabteilungen in kleinen und mittelgroßen kommunalen und freigemeinnützigen Krankenhäusern wird zunehmend in Frage gestellt. Viele Gesundheitspolitiker und Krankenkassen
glauben, dass die Kostensteigerungen des Krankenhaussektors zu einem erheblichen Teil auch durch neue radiologische Technologien wie die Kernspintomographie (abgekürzt MR für Magnetresonanztomographie), die Computertomographie (CT) oder interventionelle Verfahren
verursacht worden seien. Niedergelassene Radiologen behaupten, dass ihre in der Klinik tätigen Kollegen im Vergleich zu ihnen unwirtschaftlich arbeiten würden, da
diese mit ihren Geräten weniger Untersuchungen durchführen würden und dafür mehr Personal benötigten. Die
Privatisierung der Krankenhausradiologien sei für die
Allgemeinheit kostengünstiger. Viele Orthopäden, Unfall1
Effektivität
der Radiologie
angezweifelt
7 z 05 01
Einleitung
Inhalt
Krankenhausradiologen mit
schlechtem Image
Finanzieller Spielraum
ist kleiner geworden
Suchen
Treffer
Hilfe
chirurgen, Neurologen, Neurochirurgen, Kardiologen und
Gefäßchirurgen vertreten die Ansicht, dass sie ihre fachgebietsspezifische bildgebende Diagnostik besser und billiger selbst durchführen würden. Die Untersuchungen
und Interventionen der Radiologen wären häufig ineffizient oder sogar überflüssig. Letztendlich seien eigenständige radiologische Abteilungen in der Mehrzahl der Krankenhäuser überflüssig. In der öffentlichen Meinung ist
das Bild von der kostentreibenden, unmenschlichen und
ineffektiven „Großgerätemedizin“ tief verwurzelt.
Als kleine Gruppe mit schlechtem Image fanden die
Radiologen bei den Entscheidungsfindungsprozessen der
Gesundheitspolitik kaum Beachtung. Dies galt insbesondere für die Krankenhausradiologen. Sie formierten sich
nicht als Interessengruppe und konnten dadurch noch
weniger auf ihre Probleme aufmerksam machen als die
niedergelassenen Radiologen. Die radiologischen Berufsverbände verfolgten aufgrund der Mehrheitsverhältnisse
mehr die Interessen der Praxisinhaber als die der Krankenhausradiologen. Zu zentralen Dogmen der Gesundheitspolitik wurden Begriffe wie „ambulant vor stationär“,
„Verzahnung ambulant/stationär“, „Primat des Niedergelassenen“, „monistische Krankenhausfinanzierung“, „Bettenabbau“, „Privatisierung“. Durch die resultierenden Gesetze und Verordnungen entstanden für radiologische Abteilungen staatlich geförderter Kliniken eine Reihe von
Problemen:
z Durch Gesetzesänderungen im Bereich der Krankenhausfinanzierung ist der finanzielle Spielraum der kommunalen und frei-gemeinnützigen Kliniken enger geworden. Ersatz- und Neubeschaffungen radiologischer Geräte
verzögern sich oder scheitern wegen fehlender Mittel zunehmend häufiger. Durch den „Investitionsstau“ können
2
Einleitung
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 01
Hilfe
Treffer
viele Röntgenabteilungen nicht mehr mit den technologischen Fortschritten der Radiologie Schritt halten.
z Aufgrund der klinikinternen Leistungsverrechnung
und des Entzuges von Ermächtigungen für die kassenärztliche Tätigkeit haben terminierbare, wirtschaftlich erbringbare Leistungen abgenommen, während eine Zunahme der kostenintensiven Untersuchungen von bettlägrigen
Patienten und von Notfällen erfolgt ist. Da keine differenzierte Leistungsbewertung erfolgt, verschlechtert sich zumindest scheinbar die Effizienz der Röntgenabteilungen.
z Viele Krankenhausträger haben im Rahmen von Kooperationsmodellen das Monopol für die kernspintomographischen Untersuchungen ihrer Patienten langfristig an niedergelassene Radiologen übertragen, bevor die zukünftige
zentrale Bedeutung der Kernspintomographie absehbar
war. Technologische Neuerungen der Kernspintomographie ermöglichen es noch mehr als bisher, konventionelle
Durchleuchtungsuntersuchungen, Angiographien und CTUntersuchungen durch MR-Untersuchungsverfahren zu ersetzen. Die von der Kernspintomographie ausgegrenzten
klinikeigenen Röntgenabteilungen werden durch diese Entwicklung erheblich an Bedeutung verlieren.
z Fehlende Mittel für die Gerätebeschaffung und die
sinkende Auslastung zwingen Krankenhausträger zunehmend dazu, ihre Röntgenabteilungen ganz oder teilweise
zu privatisieren.
z Die radiologische Facharztausbildung erfolgt überwiegend in kommunalen und frei-gemeinnützigen Kliniken.
Sie wird u. a. durch den Entzug von Ermächtigungen für
die Angiographie, den Rückgang von Mammographien
durch die klinikinterne Budgetierung und die Privatisierung der Kernspintomographie in immer mehr Krankenhäusern eingeschränkt.
3
Immer mehr teure
Untersuchungen
Unterschätzte
Bedeutung der MR
Zwang zur
Privatisierung
Einschränkung
der Ausbildung
7 z 05 02
Die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie
Inhalt
Suchen
Treffer
Hilfe
7 z 05 | 02
Die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie
Große Unterschiede
in den Bundesländern
Die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie werden wesentlich durch die Krankenhausgesetzgebung bestimmt. Sie obliegt den Bundesländern und weist deshalb
jeweils erhebliche Unterschiede auf. Zur Zeit am günstigsten ist die finanzielle Fördersituation der Krankenhausradiologie in Bayern. Nach Art. 11 des Bayerischen Krankenhausgesetzes (BayKrG) werden Erstbeschaffungen von
Ganzkörper-Kernspintomographen (MR), Positronen-Emmissionstomographen, Ultrafast-Computertomographen
(EBT) wie auch Linksherzkathetermessplätze und Linearbeschleuniger in voller Höhe vom Land als sogenannte
Einzelinvestitionsförderung finanziert. Voraussetzung für
die Anerkennung des akutstationären Bedarfs ist, dass
ein Krankenhaus eine Mindestzahl bestimmter Leistungen
erreicht wie z. B. 1800 MR-Untersuchungen pro Jahr, 1000
Untersuchungen am Linksherzkathetermessplatz oder
30 000 Bestrahlungsfelder pro Jahr für einen Linearbeschleuniger.
Werden diese Zahlen nicht erreicht, sind Neuinstallationen der oben genannten Geräte und von Computertomographen mit finanzieller Unterstützung des Staates im
Rahmen des „Kooperationsmodell 3“ des bayerischen Sozialministeriums möglich. Voraussetzung hierfür ist, dass
das Krankenhaus einen ortsansässigen niedergelassenen
Radiologen als Kooperationspartner gewinnen kann. Dieser hat das Gerät und die Folgekosten in voller Höhe zu
finanzieren, während die Baukosten zu 80 bis 90% vom
Land und zu 10 bis 20% vom Krankenhausträger übernommen werden. Mit dem Gerät können dann sowohl
stationäre als auch ambulante Patienten untersucht werden. Für die Wiederbeschaffungen aller vom Krankenhaus selbst betriebenen Geräte (CT, MR, Röntgengeräte
Bayerisches
Kooperationsmodell
4
Die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 02
Hilfe
Treffer
usw.) stellt das Land „Pauschalfördermittel“ nach Art. 12
BayKrG zur Verfügung. Wenn ansteigende Leistungszahlen, die Beschaffung z. B. eines zweiten Kernspintomographens notwendig machen, sind ebenfalls die Pauschalfördermittel zu verwenden. Grundsätzlich sind nach dem
Willen des bayrischen Sozialministeriums Kooperationen
mit niedergelassenen Ärzten vorrangig anzustreben.
Die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie
werden ferner juristisch beeinflusst durch die Sozialgesetzgebung, die Richtlinien der kassenärztlichen Vereinigungen, die von der deutschen Krankenhausgesellschaft
geprägten Chefarztverträge, das Arbeits-, Verwaltungs-,
Standes- und Zivilrecht und die Röntgenverordnung. Die
Sozialgesetzgebung befindet sich in permantem Fluss.
Viele gesetzliche Bestimmungen lassen einen großen Ermessensspielraum offen oder stehen auf juristisch unsicherem Grund. Dies erfordert z. B. bei den vom Gesetzgeber erwünschten Kooperationen zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Radiologen regelhaft die Einschaltung von Fachanwälten und führt gelegentlich auch
zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Die primären Aufgaben der Krankenhausradiologie
sind die Versorgung der stationären Patienten und die
Notfalldiagnostik. Um diesen Aufgaben gerecht werden
zu können, müssen die hierzu mindestens erforderlichen
Geräte sowie Personal auch für Nacht- und Wochenenddienste vorgehalten werden. Diese primären Aufgaben lasten Personal und Geräte häufig nicht vollständig aus. Im
Gegensatz zu den Vorhaltekosten für die Rettungsdienste
und die Feuerwehr werden die Vorhaltekosten für die medizinische Notfallversorgung im Krankenhaus immer weniger akzeptiert. Auf Grund der hohen Investitionskosten
wird insbesondere eine nur partielle Auslastung von
5
Rechtliche
Einflussgrößen
Das Problem
der Auslastung
7 z 05 02
Die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie
Inhalt
„Primat des
Niedergelassenen“
Suchen
Treffer
Hilfe
Röntgenabteilungen als betriebswirtschaftliches Übel erachtet.
Einer Verbesserung der Auslastung durch die Teilnahme an der ambulanten Krankenversorgung sind enge
Grenzen gesetzt. Die Tätigkeit als Chefarzt schließt mit
Ausnahme des Fachgebietes der Pathologie eine unbefristete Zulassung als Kassenarzt aus. Ermächtigungen von
Krankenhausärzten für eine kassenärztliche Tätigkeit werden von den kassenärztlichen Vereinigungen jeweils maximal für 2 Jahre ausgesprochen. Falls ein niedergelassener Radiologe Anspruch auf eine bislang vom ermächtigten Krankenhausarzt durchgeführte Untersuchungsart erhebt und die geforderten Qualifikationen nachweisen
kann, verliert der Klinikarzt aufgrund des geltenden
„Primates des Niedergelassenen“ seine Ermächtigung.
Dies erfolgt auch dann, wenn ein Gerät oder eine Abteilung wegen des Verlustes der Ambulanz-Zulassung vom
Krankenhaus nicht mehr kostendeckend betrieben werden kann. Der Personalbestand kann im öffentlichen
Dienst nicht kurzfristig abgebaut werden. Die Geräte sind
für die stationären Patienten und die Notfallversorgung
unverändert erforderlich. Da nach dem geltenden Recht
der finanzielle Vorteil des niedergelassenen Arztes über
dem der staatlich geförderten Klinik steht, werden die
Gesamtkosten für den Steuer und Krankenkassenbeiträge
zahlenden Bürger höher. Der Klinikradiologe hat auch im
Falle einer Privatisierung seiner Abteilung keinen gesetzlich festgelegten Anspruch auf einen Kassensitz. Eine
Sonderbedarfszulassung wird nur in Ausnahmefällen bewilligt. Aufgrund der Gesetzeslage ist eine Klinik bei einer Voll- oder Teilprivatisierung ihrer Röntgenabteilung
in der Regel auf einen ortsansässigen niedergelassenen
Radiologen angewiesen. Falls es nur einen gibt und keine
6
Die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 02
Hilfe
Treffer
Konkurrenzsituation besteht, hat das Krankenhaus bei
den Verhandlungen über die Vertragskonditionen eine
nur schwache Position.
Eine wichtige Rolle für die Situation einer Röntgenabteilung spielen ferner Faktoren wie die betriebswirtschaftliche Professionalität des Verwaltungsdirektors und seiner
Mitarbeiter, die Akzeptanz des Radiologen bei seinen
Chefarztkollegen und dem Krankenhausträger, Beziehungen und manches andere mehr. Erwirtschaftet eine Klinik
Gewinn, hat die Röntgenabteilung zumindest eine Chance, einen Teil für Neu- und Ersatzbeschaffungen zu erhalten. Besitzt der Chefarzt bei den Entscheidungsträgern
eine hohe Akzeptanz, werden sie eher bereit sein, Eigenmittel zur Verfügung zu stellen, wenn die regulären Fördermittel nicht ausreichen und die Klinik Verlust macht.
Die Situation einer Röntgenabteilung kann deshalb von
Ort zu Ort trotz gleicher Ausgangssituation sehr unterschiedlich sein.
Gleiches gilt auch für die Situation des radiologischen
Chefarztes. Seine rechtliche Stellung wird definiert durch
einen Vertrag mit dem Krankenhausträger, der in der Regel auf einem Mustervertrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft beruht. Er sieht vor, dass Entscheidungen
über Personalangelegenheiten, Beschaffungen, strukturelle Änderungen der Abteilung usw. durch die Verwaltung „im Benehmen“ mit dem Chefarzt, also auch gegen
dessen Willen, gefällt werden können. Die „Entwicklungsund Anpassungsklausel“ erlaubt es dem Krankenhausträger, die Struktur einer Abteilung zu verändern. Er kann
z. B. Röntgenuntersuchungen anderen Fachgebieten zuordnen, die Röntgenabteilung ganz oder teilweise privatisieren oder sie auch vollständig auflösen.
7
Unterschiedliche
örtliche
Gegebenheiten
Der radiologische
Chefarzt
7 z 05 02
Die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie
Inhalt
Der Vorteil von
Neuverträgen
Das Honorar
für den Chefarzt
Suchen
Treffer
Hilfe
Chefärzte werden als Beamte nach A 16 und als Angestellte nach BAT I bezahlt. Überstunden und Rufdienste
sind in der Regel unentgeltlich zu erbringen. Bei der Privatliquidation stationärer Leistungen ist bei Alt- und
Neuverträgen eine Honorarminderung von 25% nach § 6a
Abs. 1 GOÄ gesetzlich vorgeschrieben. Die ebenfalls gesetzlich vorgeschriebene Abgabe für radiologische (gleich
„technische“) Leistungen von 40% gilt nur für „Neuverträgler“. Der 40%-Betrag des Jahres 1996 muss vom Krankenhausträger zur Minderung der Pflegesätze der Kassenpatienten verwandt werden. Bei einem Anstieg der Privatleistungen im Vergleich zu 1996 oder einem Chefarztwechsel verbleiben dem Krankenhaus 40% des Honorarzuwachses als frei verfügbare Einnahme. Da die Sachkosten radiologischer Untersuchungen in der Regel weniger
als 40% betragen und Geräte und Personal für den Basisbedarf ohnehin vorgehalten werden müssen, erbringt bei
einem Neuvertrag nahezu jede radiologische Leistung
einen Gewinn für die Klinik. Dies stellt eine grundlegende Änderung im Vergleich zu den meisten Altverträgen
dar, deren Abgaben die Sachkosten (Röntgenfilme, Kontrastmittel, Röhrenkosten usw.) nicht deckten. Dadurch
konnten bei entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen früher auch Röntgenuntersuchungen privatversicherter Patienten einen Verlust für das Krankenhaus verursachen.
Die Höhe der Poolabgaben an die Mitarbeiter, des von
der Klinik beanspruchten Vorteilsausgleiches und der Kosten für die Rechnungserstellung variieren von Haus zu
Haus. Der verbleibende Honoraranteil eines radiologischen Chefarztes mit Neuvertrag kann deshalb zwischen
5 und maximal 30% liegen. Zunehmend gebräuchlich
sind auch feste Obergrenzen. Da das Einkommen der
8
Die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 02
Hilfe
Treffer
meisten „Neuverträgler“ unter dem der niedergelassenen
Radiologen liegt, ist heutzutage für eine Entscheidung zur
Kliniklaufbahn nicht der finanzielle Aspekt, sondern das
im Vergleich zur Praxis andere Tätigkeitsspektrum ausschlaggebend.
Die klinikeigene Radiologie unterliegt vor allem bei
kommunaler Trägerschaft den Rahmenbedingungen des
„öffentlichen Dienstes“. Das Arbeitszeitgesetz induziert
hohe Personalkosten. Das Kündigungsschutzgesetz erschwert evtl. notwendige Entlassungen. Die Entlohnung
des Personals nach BAT und vorgegebene starre Pool-Regelungen lassen keine leistungsgerechte individuelle Bezahlung der Mitarbeiter zu. Viele Chefärzte geben deshalb zusätzlich zum Pool aus ihrem Einkommen Mittel
ab, um regulär schlecht bezahlte Leistungsträger zu motivieren und zu halten. Überstunden und Bereitschaftsdienste werden überwiegend nicht mehr bezahlt, sondern als
Freizeitausgleich erstattet. Da keine Stellenmehrung erfolgte, führte dies zu einer deutlichen Reduktion des effektiv verfügbaren Personals. Langsame „Dienstwege“
blockieren gelegentlich auch kostenreduzierende Maßnahmen über Monate oder Jahre. Der Inhaber einer privatisierten radiologischen Abteilung kann im Gegensatz zum
angestellten oder beamteten Chefarzt weitgehend selbstständig und rasch entscheiden und sein Personal ohne
Bindung an das Tarifrecht leistungsgerecht entlohnen. Da
in Praxen in der Regel keine Personalvertretung existiert,
kann das Arbeitszeit- und Kündigungsschutzgesetz flexibler gehandhabt werden als in gewerkschaftlich dominierten Kliniken.
Im Nachteil ist die Klinikradiologie auch bei der Beschaffung von Geräten. Die kommunalen Häuser müssen
nach genau vorgeschriebenen Richtlinien vor einem Kauf
9
Das Personal
Kaum Verhandlungsspielraum bei
Neuanschaffungen
7 z 05 02
Die Rahmenbedingungen der Krankenhausradiologie
Inhalt
Einsparung durch
Kooperation
in der Theorie . . .
. . und in der Praxis
Suchen
Treffer
Hilfe
öffentliche Ausschreibungen durchführen. Nach Abgabe
der Angebote sind der Klinik Nachverhandlungen offiziell
nicht mehr erlaubt. Der Verhandlungsspielraum kann
deshalb von den Krankenhäusern nicht immer in dem
Umfang ausgeschöpft werden, wie es für einen niedergelassenen Radiologen möglich ist. Geräte müssen dadurch
zum Teil unnötig teuer gekauft werden.
Viele Gesundheitspolitiker und Krankenkassenvertreter favorisieren Kooperationsmodelle und Privatisierungen. Dies gilt selbst dann, wenn das Honorarvolumen die
Kosten der Selbsterbringung durch die krankenhauseigene Radiologie übersteigt. Ein Grund hierfür ist vermutlich, dass die Krankenkassen ebenso wie viele Gesundheitspolitiker die Zahl der „Großgeräte“ möglichst gering
halten wollen, um insgesamt Kosten zu sparen (Knorr
1995). Sie gehen von der Annahme aus, dass sowohl der
Krankenhausradiologe als auch der Niedergelassene versucht, seine Geräte jeweils maximal auszulasten. Damit
verursachen beide hohe Kosten. Falls aber der niedergelassene Radiologe seine Großgeräte im Krankenhaus betreibt, wird er eher auf die Aufstellung weiterer Geräte
außerhalb der Klinik verzichten. Die insgesamt verfügbaren Untersuchungszeiten sind dadurch geringer. Dem unerwünschten Fleiß beider wären in diesem Fall engere
Grenzen gesetzt.
Diese Hypothese wurde aber zwischenzeitlich durch
die Praxis widerlegt. Wann immer es eine Mengenausweitung wirtschaftlich erlaubte, haben die Röntgenpraxen
zusätzlich zu ihren kooperativ betriebenen Klinikgeräten
weitere Anlagen außerhalb der Krankenhäuser in Betrieb
genommen. Dagegen war eine Mengenausweitung durch
die Krankenhausradiologen zu keinem Zeitpunkt möglich, da ihnen die Kassenzulassung verwehrt ist und das
10
Ursachen und Folgen des Investitionsstaus
Inhalt
Suchen
7 z 05 03
Hilfe
Treffer
Zuweisungsverhalten innerhalb der Kliniken wegen der
Budgetierung restriktiv ist.
7 z 05 | 03
Februar 2000
Ursachen und Folgen des Investitionsstaus
Die Kosten für das Personal und die Verbrauchsmaterialien sowie die Betriebskosten einer klinikeigenen Röntgenabteilung werden von den Krankenkassen über die
Pflegesätze, Sonderentgelte und Fallpauschalen getragen
(2.01.03). Falls die Kassen in Zeiten ohne Budgetdeckelung einen Teil dieser Kosten nicht akzeptieren – als kritische Grenze gilt angeblich ein radiologischer Anteil von
5% am Kliniketat (Schwing 1998) – hat der Krankenhausträger für das Defizit aufzukommen. In den meisten
Krankenhäusern beansprucht die Radiologie zwischen 3
und 5% der nicht investiven Haushaltsmittel. Entgegen
allgemeiner Ansicht wirkt sich die Einsparung von Röntgenleistungen auf die Finanzlage eines Krankenhauses
wegen des geringen Anteiles an den Gesamtausgaben nur
marginal aus.
Das entscheidende Problem für die Klinikradiologie
ist die Ersatz- und Neubeschaffung der Geräte. Im Gegensatz zu den laufenden Kosten liegt der radiologische Anteil am Investitionsbedarf einer Klinik mit 10 bis 25% wesentlich höher als der anderer Fachgebiete. Nach dem bisher gültigen „dualistischen“ Finanzierungsprinzip des
Krankenhauswesens mussten die Mittel für Ersatz- und
Neubeschaffungen, Baumaßnahmen sowie für Nutzungsvereinbarungen oder Leasing nicht von den Krankenkassen, sondern von den Bundesländern und Kommunen aus
deren Steuereinnahmen bereit gestellt werden. Die Förderbeträge für die Krankenhäuser betragen pro Einwohner und Jahr beispielsweise in Hamburg 112 DM, in Bayern 102 DM, in Baden-Württemberg 61 DM und in Nord11
Unbedeutende
Einsparung von
Röntgenleistungen
Wichtige Investitionsausgaben für radiologische Geräte
7 z 05 03
Ursachen und Folgen des Investitionsstaus
Inhalt
„Pauschale
Fördermitteln“
Nicht nur
medizinische Geräte
Suchen
Treffer
Hilfe
rhein-Westfalen 52 DM. Alle Bundesländer zusammen geben z. Z. jährlich 6,8 Mrd. DM für den Krankenhausbau,
die Klinikinstandhaltung sowie Ersatz- und Neubeschaffungen aus (Bruckenberger 1999). Diese Mittel wurden in
den vergangenen Jahren in den Bundesländern in unterschiedlicher Höhe reduziert.
Die Ersatzbeschaffungen und ein Teil der Neuanschaffungen radiologischer Geräte müssen aus den sogenannten „pauschalen Fördermitteln“ erfolgen. Sie berechnen
sich im wesentlichen aus der Bettenzahl, der Versorgungsstufe und den Fachrichtungen eines Krankenhauses.
Zum Beispiel erhalten die kommunalen und frei-gemeinnützigen Kliniken in Bayern nach Artikel 12 des Bayerischen Krankenhausgesetzes pro Bett zwischen 3710 und
4770 DM jährlich (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 18/1998 S. 654–655). Für „Kernspintomographen,
Linksherzkathetermessplätze und Linearbeschleuniger, die
nach Artikel 10 des bayerischen Krankenhausgesetzes für
die akutstationäre Versorgung abgestimmt sind und vom
Träger des Krankenhauses beschafft und betrieben werden“, wird jeweils ein Zuschlag von 200 000 DM pro Jahr
gewährt. Für eine Klinik der 3. Versorgungsstufe mit 800
Betten beträgt die jährliche Förderung ca. 4 Mio. DM.
Mit den „pauschalen Fördermitteln“ müssen allerdings neben allen Ersatzbeschaffungen und den meisten
Neuanschaffungen dauerhafter Investitionsgüter auch
Baumaßnahmen bis 380 000 DM sowie alle Tilgungsanteile von Nutzungs- und Leasingvereinbarungen bezahlt
werden. Die Ersatz-und Neubeschaffungen betreffen nicht
nur die medizinischen Geräte, sondern auch Computer,
Geschirrspüler, Müllpressen usw. Ältere Krankenhäuser
benötigen einen Großteil ihrer „pauschalen Fördermittel“
für die Erhaltung der Bausubstanz. Insgesamt decken die
12
Ursachen und Folgen des Investitionsstaus
Inhalt
Suchen
Hilfe
Treffer
„pauschalen Fördermittel“ nur rund 50% der auf geförderte Geräte entfallenden betriebswirtschaftlichen Abschreibungen. Für die Beschaffung medizinischer Geräte
verbleiben den Abteilungen vieler Kliniken von den Pauschalfördermitteln pro Jahr lediglich Beträge unter
100 000 DM.
Mit Investitionsmitteln von 1 Mio. DM für eine Dekade kann keine Röntgenabteilung auf Dauer betrieben werden. Die in Tabelle 1 aufgeführten Anschaffungskosten
und Nutzungsdauern radiologischer Geräte machen deutlich, dass der Reinvestitionsbedarf einer Röntgenabteilung
für 10 Jahre je nach Größe und Struktur selbst bei sehr
langen Nutzungsdauern zwischen 2 und 10 Mio. DM be-
Februar 2000
7 z 05 03
Hohe
Investitionskosten
Tabelle 1: Anschaffungskosten sowie reguläre und maximal mögliche Nutzungsdauer
radiologischer Geräte
Gerät
Kaufpreis (DM)
Maximal
Reguläre
Nutzungsdauer mögliche
(Jahre)
Nutzungsdauer
(Jahre)
180 000–380 000
ca. 680 000
10–12
8–10
20
12
450 000–800 000
600 000–900 000
800 000–1 200 000
10–12
8–10
8–10
20
12
12
1 200 000–2 500 000
8–10
12
600 000–2 400 000
8–10
12
1 000 000–2 800 000
8
10
120 000–280 000
10
15
80 000–350 000
6
10
Röntgenarbeitsplatz
z konventionell
z Flachbilddetektor
Durchleuchtungsgerät
z Kassettenbetrieb
z digital
z incl. DSA
Angiographie
Computertomographie
Kernspintomographie
Mammographie
Ultraschall
13
7 z 05 03
Ursachen und Folgen des Investitionsstaus
Inhalt
Privatisierung
Vorfinanzierung
kaum möglich
Unvollständige
Kontrolle
Suchen
Treffer
Hilfe
trägt. Fördermittel in dieser Höhe stehen für die Radiologie an vielen Kliniken nicht mehr zur Verfügung. Das
gleiche gilt auch für Betriebsüberschüsse und Spenden,
die ebenfalls investiv verwendet werden könnten.
Falls der Krankenhausträger keine Eigenmittel besitzt,
bietet sich als Ausweg die Privatisierung der Röntgenabteilung an. Wenn das Honorarvolumen die Personal-,
Sach- und Betriebskosten der früheren Röntgenabteilung
nicht übersteigt, gewinnt in Bayern der Krankenhausträger durch die Privatisierung zweifach. Trotz der Privatisierung der Röntgenabteilung werden die pauschalen Fördermittel nicht gekürzt. Dadurch stehen den sonstigen
Krankenhausabteilungen mehr Investitionsmittel zur Verfügung. Sie werden in einer finanziellen Notsituation die
Privatisierung der Röntgenabteilung deshalb eher begrüßen als ablehnen.
Ein weiteres Problem für radiologische Investitionen
ist, dass kommunalen Krankenhäusern eine Vorfinanzierung durch Kredite ebenso wie die Bildung langfristiger
Rücklagen nur eingeschränkt möglich ist. Wenn innerhalb eines kurzen Zeitraumes mehrere Geräte ersetzt oder
neu beschafft werden müssen, treten Finanzierungsschwierigkeiten selbst dann auf, wenn die Fördermittel
über einen längeren Zeitraum für die Abteilung ausreichend wären.
Problematisch kann ferner sein, dass der Verwaltungsdirektor nicht verpflichtet ist, die Verwendung der pauschalen Fördermittel gegenüber dem klinischen Direktor,
den Chefärzten oder den Krankenkassen im Detail offenzulegen. Kontrollgremien, wie die Krankenhausausschüsse
von Städten und Landkreisen, können ihre Aufgabe nicht
immer mit der erforderlichen Akribie wahrnehmen. Ihre
Mitglieder verfügen zum Teil auch nicht über die notwen14
Ursachen und Folgen des Investitionsstaus
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 03
Hilfe
Treffer
digen profunden medizinischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Die Kontrollen durch den kommunalen
Prüfungsverband erfolgen in großen Zeitabständen. Missbräuchliche Verwendungen der staatlichen Fördermittel
durch Verwaltungsdirektoren wurden dadurch zumindest
in Einzelfällen möglich.
Ein Investitionsstau tritt unausweichlich auf, wenn in
einer Klinik hohe Bauunterhaltskosten anfallen, kein Gewinn erzielt wird und der Krankenhausträger Zuschüsse
verweigert. Der Arbeitskreis der leitenden Krankenhausradiologen Bayerns führte 1998 eine Umfrage zu dieser
Problematik durch. 44% der Teilnehmer gaben an, dass
für zwingend erforderliche Ersatzbeschaffungen keine
Mittel vorhanden seien. 28% mussten mit veralteten
Röntgenanlagen arbeiten, die „medizinisch eigentlich
nicht mehr vertretbar“ seien. 50% waren der Ansicht,
dass ihre Abteilung mit dem technologischen Fortschritt
nicht mehr Schritt halten könne und in der Klinikverwaltung kein Konzept für die Finanzierung von Ersatz- und
Neubeschaffungen bestünde. Der Bedarf an Investitionsmitteln für Ersatzbeschaffungen betrug für 1998 und 1999
zusammen pro Abteilung durchschnittlich 1,5 Mio. DM.
Da sich an der Umfrage nur 32 von 58 radiologischen
Chefärzten beteiligten, sind die genannten Zahlen allerdings nicht sehr aussagekräftig.
In den anderen Bundesländern ist der Investitionsstau
der klinikeigenen Radiologien aufgrund der niedrigeren
Fördermittel vermutlich höher als in Bayern. Bundesweit
liegt der Röntgengeräte-Investitionsstau der öffentlichen
Hand nach einer Analyse des Fachverbandes Elektromedizinische Technik bei derzeit 10 Mrd. DM. 54% der
Röntgengeräte in Kliniken seien älter als 10 Jahre
(Schwing 1998). Für finanzschwache Träger defizitärer
15
Investitionsstau
in Bayern
Bequemer Ausweg
Privatisierung
7 z 05 03
Ursachen und Folgen des Investitionsstaus
Inhalt
Kein Anspruch
der Radiologie
auf Förderung
Steuervorteile
für niedergelassene
Fachärzte . . .
Suchen
Treffer
Hilfe
Krankenhäuser mit einer technisch veralteten Röntgenabteilung stellt bei der derzeitigen Gesetzeslage und Finanzierungssituation die Voll- oder Teilprivatisierung den
einfachsten Ausweg dar, wenn sie eine zeitgemäße Röntgen- und Kernspin-Diagnostik gewährleisten wollen.
Die erstmalige Anschaffung von Kernspintomographen, Linksherzkathetermessplätzen und Linearbeschleunigern an mit den Kassen abgestimmten Klinikstandorten wird in Bayern nach Artikel 11 des Krankenhausgesetzes weitgehend aus dem Etat des Sozialministeriums bezahlt, wenn sie vom Träger beschafft und betrieben werden. Gleiches gilt auch für die anfallenden Baukosten. Zusätzlich werden diese Geräte mit jährlich 200 000 DM gefördert. Sie sind als langfristige Rücklage für die Ersatzbeschaffung gedacht. Da die Röntgenabteilungen aber keinen gesetzlich definierten Anspruch auf diese Mittel
haben, werden sie von den Verwaltungen oft anderweitig
verwendet.
Bei einer vollständig privatisierten Röntgenabteilung
kommt der Inhaber primär sowohl für die Personal- und
Sachkosten als auch für die Geräteinvestitionen auf. Die
erforderlichen Baukosten bei der Neueinrichtung von
Kernspintomographen, Linksherzkatheterplätzen und Linearbeschleunigern an abgestimmten Standorten werden
vom Sozialministerium (ca. 80 bis 90%) und vom Krankenhausträger (ca. 10 bis 20%) in Bayern nach dem hier
geltenden Kooperationsmodell in voller Höhe bezahlt.
Nimmt man für Zins und Tilgung jährlich 13% der Bausumme an, beträgt der finanzielle Vorteil, der dem Niedergelassenen pro Jahr dadurch vom Staat gewährt wird,
pro einer Million Baukosten 130 000 DM. Die Gerätekosten trägt zwar der niedergelassene Radiologe, er kann
sie aber in voller Höhe steuerlich abschreiben. Somit wer16
Ursachen und Folgen des Investitionsstaus
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 03
Hilfe
Treffer
den eigentlich nicht nur die Baukosten, sondern auch bis
zu 63% (Einkommensteuerhöchstsatz plus Solidaritätszuschlag plus Kirchensteuer) der Gerätekosten aus Steuermitteln finanziert. Der Radiologe deckt seine Ausgaben
dadurch, dass er die an stationären allgemeinversicherten
Patienten erbrachten Leistungen dem Krankenhaus in
Rechnung stellt und gleichzeitig Einnahmen aus seiner
kassenärztlichen und privatärztlichen Tätigkeit erzielt.
Die Klinik finanziert die anfallenden Honorare aus den
Pflegesätzen und Fallpauschalen.
Letztendlich bezahlen also im Falle der Privatisierung
die Krankenkassen sowohl einen Teil der laufenden als
auch der investiven Kosten. Falls die Honorare für die radiologischen Leistungen geringer sind als die Kosten der
Röntgenabteilung vor der Privatisierung, kann der Krankenhausträger im Vergleich zur klinikeigenen Radiologie
sowohl Investitionsmittel als auch Personal- und Sachkosten einsparen. Falls die Honorarkosten höher sind, hat
der Krankenhausträger für die Differenz aufzukommen.
Wenn der Radiologe keine kostendeckende Honorierung
erzielen könnte, hätte er das Defizit selbst zu tragen.
Häufig wurde aber mit den Krankenhausträgern eine Defizitdeckung durch Garantiesummen vertraglich vereinbart.
Für das Bundesland hat die Voll- oder Teilprivatisierung einer Klinikradiologie immer finanzielle Vorteile.
Bayern konnte durch Privatisierungen von MR-Geräten
und Computertomographen 250 Mio. DM einsparen.
Durch das „Kooperationsmodell 3“ des bayerischen Sozialministeriums war es möglich, auch viele kleine Kliniken mit diesen Geräten auszustatten. Auf Grund der geringen Untersuchungszahlen könnten die Anlagen von
diesen Krankenhäusern selbst nie wirtschaftlich betrieben
17
. . . und
unter Umständen
Defizitdeckung
Bundesländer
profitieren
von Privatisierung
7 z 05 04
Ursachen und Folgen der Veränderungen des Leistungsspektrums der Klinikradiologien
Inhalt
Suchen
Treffer
Hilfe
werden. Für die Krankenhausträger und die Krankenkassen entscheidet die Zahl der erforderlichen Untersuchungen und das dafür vereinbarte Honorar darüber, ob sich
die Privatisierung einer Klinikradiologie kostensenkend
oder kostensteigernd für sie auswirkt. Dass durch die Privatisierung von MR- und CT-Anlagen für größere Kliniken mit hohem Untersuchungsaufkommen Honorarkosten
entstehen, die ein Vielfaches der Kosten des Eigenbetriebes betragen, ist aus der Sicht des Landes verständlicherweise wenig relevant. Sie müssen vor allem von den
Krankenkassen bzw. den Krankenhausträgern bezahlt
werden. Damit wird die monistische Finanzierung des
kassenärztlichen Bereiches im Bereich der Radiologie bereits im Vorgriff auf die Krankenhäuser übertragen.
7 z 05 | 04
Klinikinterne
Leistungsverrechnung
Ursachen und Folgen der Veränderungen
des Leistungsspektrums der Klinikradiologien
Vor Beginn der Gesundheitsstrukturreformen erfolgte die
präoperative Diagnostik auch bei terminierbaren, nicht
notfallmäßigen Operationen weitgehend während des stationären Aufenthaltes im Krankenhaus. Gleiches galt auch
für die nicht-operativen Fächer, wenn ein unklares
Krankheitsbild eine planbare Krankenhauseinweisung erforderlich machte. Ferner wurden Zweiterkrankungen, die
während des stationären Aufenthaltes entdeckt wurden,
noch im Krankenhaus abgeklärt. Die Gesetze und Verordnungen der vergangenen Jahre motivierten die deutschen Krankenhäuser, ihre Liegezeiten zu verkürzen. Sie
waren und sind im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch.
Außerdem wurde an vielen Häusern eine Abteilungsbudgetierung mit Leistungsverrechnung eingeführt. Jede
Röntgenuntersuchung, die im Vergleich zur Ausgangssi18
Ursachen und Folgen der Veränderungen des Leistungsspektrums der Klinikradiologien
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 04
Hilfe
Treffer
tuation nicht veranlasst wird, führt in diesem System zu
einer Einsparung im Budget der zuweisenden Abteilung.
Sie kann für eigene Zwecke verwandt werden. Die Motivation, auf Röntgenuntersuchungen zu verzichten, ist deshalb bei der klinikinternen Leistungsverrechnung sehr
hoch. Die Verkürzung der stationären Aufenthaltsdauer
wurde von den operativen Fächern vor allem dadurch erreicht, dass die präoperative diagnostische Phase vollständig in den ambulanten Bereich verlagert wurde. Planbare
Operationen werden heute entweder noch am Aufnahmetag oder spätestens am Folgetag durchgeführt. Auch die
nicht-operativen Abteilungen fordern heute von ihren Zuweisern regelhaft, dass sie bei terminierbaren Krankenhauseinweisungen insbesondere kostenintensive Untersuchungen wie CT und MR noch vor dem stationären Aufenthalt durchführen lassen. Die Abklärung von Zweiterkrankungen, die während eines stationären Aufenthaltes
entdeckt werden und kein sofortiges Handeln erfordern,
wird heute in der Regel dem ambulant weiterbehandelnden Arzt überlassen.
Die genannten Faktoren führten an den Röntgenabteilungen vieler Krankenhäuser zu einem Rückgang zeitlich
planbarer Standardleistungen bei geh- und kooperationsfähigen Patienten. Bei der oben genannten Umfrage unter
bayerischen Krankenhausradiologen berichteten 48% über
einen Rückgang derartiger Untersuchungsanforderungen.
Die Einführung der klinikinternen Leistungsverrechnung
hatte in 61% der Kliniken dazu geführt, dass gelegentlich
auch auf wichtige röntgenologische Untersuchungen verzichtet wurde. 17% der befragten radiologischen Chefärzte
berichteten, dass Patienten unnötig operiert wurden, weil
die behandelnden Ärzte aus Budgetgründen präoperativ
auf CT-Untersuchungen verzichtet hatten.
19
Auf wichtige
Untersuchungen wird
verzichtet
7 z 05 04
Ursachen und Folgen der Veränderungen des Leistungsspektrums der Klinikradiologien
Inhalt
Nutzen vor- und
nachstationärer
Behandlung
Entzug der
Ermächtigungen
Beispiel Angioplastie
Suchen
Treffer
Hilfe
Eine Alternative wäre die Nutzung der Möglichkeiten
der vor- und nachstationären Behandlung. Sie wären für
die Kliniken durchaus lukrativ. CT- und MR-Leistungen
werden hierbei zusätzlich zu den Tagessätzen einzeln höher als kostendeckend vergütet. Die Nutzung der vorund nachstationären Behandlung kann nur durch bettenführende Abteilungen erfolgen. Aus Arbeitsüberlastung
oder weil dies angeblich von den zuweisenden niedergelassenen Kollegen nicht gewünscht wird, wird hiervon
aber vielerorts nur wenig Gebrauch gemacht.
Eine weitere Ursache für den Rückgang kostengünstig
erbringbarer Leistungen ist, dass vielen Klinikabteilungen
auf Veranlassung niedergelassener Radiologen Ermächtigungen für Untersuchungen ambulanter Kassenpatienten
entzogen wurden. Das betrifft häufig sogar die Patienten,
die in ermächtigten Spezialambulanzen der Krankenhäuser behandelt werden. Falls Kassenradiologen Anspruch
auf deren Untersuchungen erheben, wird selbst schwerkranken Tumorpatienten der Weg von den Klinikambulanzen zu den Röntgenpraxen zugemutet, obwohl die Untersuchungen problemlos sofort in der krankenhauseigenen Röntgenabteilung durchgeführt werden könnten. Der
finanzielle Vorteil der Kassenradiologen wird hier über
das Wohl der Patienten gestellt. Bei der oben genannten
Umfrage in Bayern gaben 40% der teilnehmenden radiologischen Chefärzte an, dass sie in den vergangenen Jahren alle früheren Ermächtigungen verloren hatten.
Besonders deutlich zeigen sich die daraus resultierenden Probleme für die Klinikabteilungen im Bereich der
Angioplastie. Die Zunahme der ambulanten PTA durch
niedergelassene Radiologen führte zu einem Rückgang
der Angioplastiezahlen der Krankenhäuser. Dies galt insbesondere für die schnell und kostengünstig erbringbaren
20
Ursachen und Folgen der Veränderungen des Leistungsspektrums der Klinikradiologien
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 04
Hilfe
Treffer
Gefäßdilatationen. Den Kliniken verblieben die zeit- und
materialaufwendigen Rekanalisationen. Da die Höhe des
Sonderentgeltes unabhängig vom Aufwand ist und das
Verbrauchsmaterial ebenso wie die Geräte und das Personal weiter vorgehalten werden muss, verschlechtert sich
die Wirtschaftlichkeit einer Röntgenabteilung dadurch erheblich. Dazu trägt auch bei, dass der Personalbestand
wegen der weiter erforderlichen stationären Patientenversorgung sowie der Bereitschafts- und Rufdienste, die für
ambulante und stationäre Notfälle notwendig sind, nicht
ohne weiteres reduziert werden kann. Dem stehen im öffentlichen Dienst tarifvertragliche Regelungen im Wege.
Verblieben sind den Röntgenabteilungen der Akutversorgungskliniken die Patienten, die nur mit überdurchschnittlichem Zeit- und Kostenaufwand untersucht werden können, weil sie z. B. bettlägrig, nicht kooperationsfähig oder intensivpflichtig sind. Ihr Anteil beträgt heute
bis zu 70%. Weitgehend verblieben ist den Kliniken ferner die Notfallversorgung der Bevölkerung. Da dafür kostenintensive Schicht-, Bereitschafts- oder Rufdienste aufrecht erhalten werden müssen, sind die effektiven Kosten
pro Notfall wesentlich höher als die Fallkosten der Regelversorgung. Manche berufspolitisch aktiven niedergelassenen Radiologen weisen Kassenvertreter und Politiker
gerne darauf hin, dass mit den CT- und MR-Geräten ihrer Röntgenpraxen täglich erheblich mehr Patienten untersucht werden als mit den Geräten der örtlichen Klinik.
Da die Praxisgeräte besser ausgelastet seien, sei die Leistungserbringung durch niedergelassene Radiologen wirtschaftlicher. Den Klinikradiologen wird unterstellt, dass
sie und ihre Mitarbeiter nicht effektiv arbeiten würden.
Bei den Leistungsvergleichen zwischen Klinik und Praxis
werden aber die Unterschiede des jeweiligen Patientengu21
Kostenintensive Akutund Notfallversorgung
Unterschiede zwischen Praxen und
Kliniken
7 z 05 04
Ursachen und Folgen der Veränderungen des Leistungsspektrums der Klinikradiologien
Inhalt
Unterschätzter
Aufwand der
Klinikradiologen
Suchen
Treffer
Hilfe
tes kaum oder gar nicht berücksichtigt. Die Rüstzeiten
sind bei bettlägrigen Patienten länger. In der Praxis ergeben viele Untersuchungen Normalbefunde. Im Krankenhaus ist der Normalbefund die Ausnahme. Der Befundungsaufwand ist deshalb größer. Ebenfalls unberücksichtigt bleibt, dass aufgrund der Notfallversorgung keine
präzise Terminplanung möglich ist. Nicht erwähnt wird
ferner, dass die personalintensive, unwirtschaftliche Ausbildung des MTRA- und Radiologennachwuchses, die
auch den Praxen zu gute kommt, vor allem in den Krankenhäusern erfolgt.
Dass der Klinik- und der Praxisbetrieb nicht einfach
anhand von Untersuchungszahlen miteinander verglichen
werden können, zeigt anschaulich eine alltägliche Beobachtung. Selbst der leistungsschwächste Assistent, der im
Krankenhaus im CT mühsam innerhalb von 8 Stunden
täglich 10 bis 15 Patienten untersucht, führt als niedergelassener Radiologe in derselben Zeit ca. 30 CT-Untersuchungen durch. Durch den finanziellen Motivationsschub
ist diese plötzliche Effektivitätssteigerung allenfalls teilweise erklärbar.
Zugenommen haben in den Röntgenabteilungen zeitund kostenintensive interventionelle Eingriffe wie z. B.
CT-gezielte Abszessdrainagen, Chemoembolisationen,
Embolisationen und komplexe Gefäßinterventionen. Der
Aufwand für diese Verfahren ist unterbewertet. Vielen
Krankenhausfachleuten ist bislang nicht bewusst, welchen
Umfang diese minimal-invasiven Methoden in der Klinikradiologie erreicht haben. Das heute weitgehend wirklichkeitsfremde Klischee vom Röntgenologen, der den
ganzen Tag gemütlich vor seinem Schaukasten sitzt und
gelegentlich Bilder befundet, ist bei Gesundheitspolitikern, Krankenkassenfunktionären, Krankenhausdirekto22
Ursachen und Folgen der Veränderungen des Leistungsspektrums der Klinikradiologien
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 04
Hilfe
Treffer
ren aber auch Ärzten anderer Fachdisziplinen noch weit
verbreitet.
Essentielle Bestandteile im Tätigkeitsspektrum der
Klinikradiologie sind heute ferner die Nachbefundung
und Demonstration auswärtiger Untersuchungen. Aus
den genannten Gründen erfolgt bei einem planbaren
Krankenhausaufenthalt die bildgebende Diagnostik meistens vor der stationären Aufnahme. In ca. 60% der
Krankheitsfälle basiert die Therapieentscheidung auf
Röntgen-, CT- oder MR-Diagnostik. Viele Nichtradiologen können insbesondere CT- und MR-Bilder nicht
selbstständig interpretieren. Auf Grund der großen Tragweite dieser Untersuchungen wünschen sie die Demonstration und Zweitbefundung durch die Klinikradiologen.
Diese Tätigkeiten werden nach den Erfahrungen überprüfter Chefärzte bei der Leistungsbewertung von Röntgenabteilungen z. B. durch den bayerischen kommunalen
Prüfungsverband nicht berücksichtigt. Die genannten
Faktoren erwecken bei Wirtschaftlichkeitsanalysen den
Anschein, dass Klinikradiologen ineffizient arbeiten.
Als Argument für die Privatisierung wird angeführt,
dass die Kosten für die Allgemeinheit umso geringer seien, je mehr Untersuchungen mit einem CT- oder MR-Gerät durchgeführt würden. Diese Aussage ist nur für die
Untersuchungen ambulanter gesetzlich versicherter Patienten zutreffend. Nur hier erfolgen mittlerweile mengenabhängige Abstaffelungen des Punktwertes. Bei einem
Kooperationsmodell werden die Untersuchungen der stationären Allgemeinpatienten und des privatversicherten
Klientels unabhängig von der Zahl der ambulanten Kassenpatienten nach festen Sätzen honoriert. Hohe Untersuchungszahlen der allgemeinversicherten Krankenhauspatienten und der Privatversicherten kommen ausschließ23
Demonstration und
Nachbefundung
unerlässlich
Mengenabhängige
Abstaffelung
7 z 05 04
Ursachen und Folgen der Veränderungen des Leistungsspektrums der Klinikradiologien
Inhalt
Konsequenzen für die
Facharztausbildung
Suchen
Treffer
Hilfe
lich dem Praxisinhaber zugute. Die Allgemeinheit profitiert davon nicht. Eine mengenabhängige Abstaffelung
der Honorare für die Klinikpatienten wurde bei Kooperationen überwiegend nicht vereinbart.
Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind die Veränderungen des Untersuchungsspektrums der Klinikradiologien auch für die Facharztausbildung von Bedeutung. Der
Großteil des radiologischen Nachwuchses wird z. Z. noch
in kommunalen und frei-gemeinnützigen Krankenhäusern
ausgebildet. Die vorgegebenen Zahlen einiger Standarduntersuchungen sind während der regulären Ausbildungszeit vielerorts nur noch schwer erreichbar:
z Durch die klinikinterne Budgetierung werden z. B.
Vorsorgemammographien während eines stationären
Aufenthaltes kaum mehr veranlasst. Patientinnen, die
zur Brustoperation stationär aufgenommen werden,
wurden ausnahmslos vorher in Praxen mammographiert.
z Vielen Krankenhausabteilungen wurde in den letzten
Jahren die Ermächtigung für ambulante Becken-BeinAngiographien entzogen. Sie werden heute überwiegend in Röntgenpraxen durchgeführt. Wegen der klinikinternen Leistungsverrechnung wird die angiographische Abklärung einer arteriellen Verschlusskrankheit, die zufällig während eines stationären Aufenthaltes entdeckt wird, meistens dem Hausarzt übertragen.
Der Krankenhausradiologie verblieben im wesentlichen nur die Notfallangiographien und untersuchungstechnisch schwierige Angiographien.
z Für die Facharztreife ist auch eine kernspintomographische Ausbildung erforderlich. Falls das MR privatisiert wurde, besteht in der Regel keine Verpflichtung
des Praxisinhabers zur Ausbildung der Assistenzärzte
24
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Inhalt
Suchen
7 z 05 05
Hilfe
Treffer
Februar 2000
der klinikeigenen Röntgenabteilung. Gefordert wird
häufig eine unentgeltliche Abordnung. Aufgrund
knapper Stellenpläne ist dieses Vorgehen aber oft
nicht möglich.
Die Zahl der Abteilungen mit vollständiger Ausbildungsberechtigung nimmt deshalb ab. Grundsätzlich ist eine
Facharztausbildung in mehreren Abteilungen und Praxen
positiv zu werten. Die Ausbildungszeit der Assistenzärzte
verlängert sich dadurch allerdings in der Regel. Für die
Röntgenabteilungen ohne volle Ausbildungsberechtigung
können Probleme bei der Besetzung der Nacht- und Wochenenddienste entstehen. Vorgeschrieben ist die Fachkunde zumindest in Notfallröntgen und in der Computertomographie. Der Erwerb beider Fachkunden erfordert
eine zweijährige Tätigkeit. In Abteilungen ohne volle Ausbildungsberechtigung reicht deshalb u. U. die Zahl der
fachkundigen Assistenzärzte für die Besetzung der Dienste nicht mehr aus.
Engpaß vollständige
Ausbildungsberechtigung
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
7 z 05 | 05
Die große Bedeutung der Kernspintomographie war zunächst nur für die Diagnostik neurologischer und orthopädischer Erkrankungen ersichtlich. An Kliniken ohne neurologischen, neurochirurgischen oder orthopädischen
Schwerpunkt war deshalb der Bedarf an MR-Untersuchungen zunächst so gering, dass eine Gerätebeschaffung durch
das Krankenhaus unwirtschaftlich gewesen wäre. Auf
Grund der geltenden Gesetzeslage war und ist eine unbefristete Zulassung von Krankenhausabteilungen oder -ärzten
zur kassenärztlichen ambulanten Tätigkeit nicht möglich.
Um möglichst rasch eine flächendeckende Versorgung
der Bevölkerung mit diesem wichtigen neuen Untersu-
Unterschätzte
Bedeutung
25
Ausweg Kooperation
7 z 05 05
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Inhalt
Ziele und
Bedingungen
Suchen
Treffer
Hilfe
chungsverfahren zu erreichen, wurden in Bayern und
Niedersachsen von den Sozialministerien Kooperationsmodelle zwischen niedergelassenen Radiologen und
Krankenhäusern entwickelt. Da die Großgeräteverordnung
des Bundes von den kassenärztlich tätigen Radiologen
permanent unterlaufen wurde, sollte dadurch verhindert
werden, dass MR- und CT-Geräte überwiegend in Röntgenpraxen fernab der Kliniken installiert werden. In kleineren und mittleren Häusern war eine Beschaffung der
Geräte durch die Krankenhausträger wegen des niedrigen
Untersuchungsbedarfes unwirtschaftlich. Außerdem ließ
es die angespannte Personalsituation an vielen Kliniken
nicht zu, den Chefarzt oder Mitarbeiter zur MR-Ausbildung freizustellen. Die Krankenhauspatienten zu weit entfernten Praxisgeräten zu transportieren, ist teuer und risikoreich.
Ziel der Kooperationsmodelle war es, niedergelassene
Radiologen zu motivieren, ihre MR- und/oder CT-Geräte
in den örtlichen Kliniken zu installieren. Die Anschaffungs- und Unterhaltskosten der Geräte müssen dabei
vom Niedergelassenen getragen werden. Die Baukosten
übernimmt in Bayern zu 80 bis 90% das Land und zu 10
bis 20% der kommunale Krankenhausträger. In den
Krankenhausplan aufgenommene frei-gemeinützige und
private Kliniken erhalten 100%. Weitere Details wie z. B.
die Laufzeit der Verträge, die Beteiligung der klinikeigenen Röntgenabteilung, Honorarvereinbarungen oder die
Mietpreise für die von der Klinik zur Verfügung gestellten Räume wurden aufgrund der lokal unterschiedlichen
Ausgangssituationen bewusst nicht vorgeschrieben. Sie
blieben dem Verhandlungsgeschick der Praxisinhaber
und der Krankenhausträger überlassen.
26
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 05
Hilfe
Treffer
In vielen Fällen konnten für beide Seiten vorteilhafte
Lösungen gefunden werden. Gelegentlich wurden die Praxisinhaber von den Krankenhausträgern übervorteilt. Andererseits gelang es aber auch den Kassenärzten, die Kliniken in Abhängigkeit zu bringen:
z So wurden Verträge geschlossen, die den Praxisinhabern für die Dauer von 25 Jahren unwiderruflich
das Monopol für die MR-Untersuchungen aller stationären und ambulanten Patienten der Klinik zusichern.
Das Monopol kann von den Praxisinhabern an ihre
Nachfolger weiterveräußert werden, ohne dass die Klinik bei der Auswahl der Nachfolger mitentscheiden
kann.
z Über denselben Zeitraum wurden ohne Gleitklausel
Honorare bis zu 715 DM für Standarduntersuchungen
mit einem Zuschlag von 50% für zeitaufwendigere Untersuchungen vereinbart.
z Ferner gibt es Garantiesummen für den stationären
Bereich von weit über 500 000 DM pro Jahr, obwohl
mit MR-Geräten alleine im ambulanten und privatärztlichen Bereich je nach Auslastung und Privatanteil
jährliche Gewinne zwischen 1 und 5 Mio. DM erwirtschaftet wurden.
z Bekannt sind auch Mitspracherechte bei Belangen der
klinikeigenen Röntgenabteilungen, Vorkaufsrechte für
diese Abteilungen und Mietpreise für die Praxisräume
von 12 DM pro Quadratmeter.
Überhöhte Honorarkosten werden den Kliniken von den
Kassen verständlicherweise ebensowenig erstattet wie Garantiesummen für nicht erbrachte Leistungen. Sie müssen
von den Krankenhausträgern selbst getragen werden und
mindern deshalb den investiv verwendbaren Gewinn bzw.
27
Nachteilige Verträge
für Kliniken
7 z 05 05
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Inhalt
Stand der Technik
MR-Untersuchungen
werden immer
wichtiger
Suchen
Treffer
Hilfe
vermehren das langfristig existenzbedrohende Defizit einer Klinik.
In den Kooperationsverträgen verpflichten sich die
Praxisinhaber in der Regel, das MR-Gerät ggf. durch
Nach- und Aufrüstungen, „die unter dem Aspekt einer
optimalen Wirtschaftlichkeit notwendig sind, auf dem jeweiligen Stand der Technik und der KV-Richtlinien in der
jeweils gültigen Fassung“ zu halten. Da die KV-Richtlinien nur einen relativ niedrigen Standard definieren und
der vereinbarte Aspekt der optimalen Wirtschaftlichkeit
eingehalten werden darf, hat eine Klinik bei dieser Vereinbarung keinen Anspruch auf eine optimale Untersuchungsqualität und keinen kurzfristigen Anspruch auf
neue MR-Technologien.
Als das bayerische „Kooperationsmodell 3“ konzipiert
wurde, war die technologische Weiterentwicklung der
Kernspintomographie nicht vorhersehbar. Sie führte zu
einer starken Ausweitung der Indikationen. Hochfeldgeräte neuer Bauart können z. B. die Arteriographie, die Computertomographie von Organen des Bauchraumes und
des Beckens, sowie röntgenologische Untersuchungen des
Dünn- und Dickdarmes, der Harnwege, der Gallengänge
und des Ausführungsganges der Bauchspeicheldrüse weitgehend ersetzen. In spätestens 10 Jahren werden die CTgezielte Intervention und viele angiographische Gefäßinterventionen durch MR-gezielte Verfahren abgelöst werden. Das Fachgebiet der Radiologie wird sich durch die
neuen MR-Indikationen grundlegend wandeln. Die zunehmende Strahlenangst und die stark gesunkenen MRKosten begünstigen diese Entwicklung. Die Zahl der erforderlichen kernspintomographischen Untersuchungen
wird deshalb an allen Kliniken ansteigen.
28
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 05
Hilfe
Treffer
Ob durch die Privatisierung eines MR-Gerätes oder
auch eines anderen Verfahrens für den sowohl Steuern als
auch Krankenkassenbeiträge zahlenden Bürger ein finanzieller Vor- oder Nachteil im Vergleich zum Eigenbetrieb
entsteht, hängt neben dem vereinbarten Honorar vor allem von der Zahl der örtlich erforderlichen Untersuchungen ab. Durch den Betrieb eines Gerätes entstehen einerseits Kosten, die unabhängig von der Untersuchungszahl
sind und andererseits Kosten pro Fall.
Zu den fallzahl-unabhängigen Kosten zählen im wesentlichen die Anschaffungkosten durch Kauf, Nutzungsvereinbarungen oder Leasing, die Ausgaben für Wartung,
Helium, den Strom für den basalen Gerätebetrieb, die
Raummiete, den Betrieb der Klimaanlage, EDV und sonstiger Versorgungssysteme, Versicherungen sowie die für
einen Minimalbetrieb erforderlichen Personalkosten. Die
Baukosten müssen bei einem Wirtschaftlichkeitsvergleich
zwischen einem klinikeigenen Gerät und dem bayerischen „Kooperationsmodell 3“ nicht berücksichtigt werden. Sie tragen in beiden Fällen das Land und der Krankenhausträger.
Der Kaufpreis eines MR-Gerätes mit 1 Tesla Feldstärke
und allen Optionen liegt derzeit je nach Hersteller, Verhandlungsgeschick und Stärke der Verhandlungsposition
zwischen 1 und 1,8 Mio. DM. Die Generationszeit der Anlagen wird mit 8 Jahren kalkuliert. Die jährlichen Gerätekosten liegen damit im Falle eines Kaufes selbst bei einem ungünstigen Zinssatz von 10% einschließlich Tilgung zwischen ca. 180 000 und 240 000 DM. Der derzeitige Zinssatz liegt um 5%. Hinzu kommen noch Kosten für
Risikolebensversicherungen oder sonstige Maßnahmen
zur Absicherung der Kredite. Bei Leasing oder einer Nutzungsvereinbarung muss im Extremfall mit Kosten bis ca.
29
Auflistung der
Gesamtkosten
Diverse fixe Kosten
Anschaffungsund Wartungskosten
7 z 05 05
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Inhalt
Mietkosten
Personalkosten
Suchen
Treffer
Hilfe
420 000 DM pro Jahr gerechnet werden. Die Wartung erfordert jährlich ca. 180 000 DM. Bei Geräten mit 1,5 Tesla
Feldstärke liegen die Anschaffungs- und Wartungskosten
ca. 30% höher.
Die Miete für die Praxisräume im Krankenhaus bewegt sich beim bayerischen „Kooperationsmodell 3“ in
der Regel deutlich unter den Mietpreisen auf dem freien
Markt; 12 bis 15 DM pro Quadratmeter sind nicht unüblich. Für eine 200 Quadratmeter große Praxis entstehen
im Krankenhaus damit jährliche Mietkosten zwischen ca.
29 000 und 36 000 DM. Für diese niedrigen Mietpreise
gibt es zwei Gründe:
z Der Praxisstandort an einem verkehrtechnisch
schlecht erreichbaren Krankenhaus stellt für den Ambulanzbetrieb einen eindeutigen Nachteil dar, falls
sich am Ort noch eine konkurrierende Praxis befindet.
z Der Krankenhausträger müsste wegen der Förderung
der Baukosten durch das Sozialministerium den überwiegenden Teil der Mieteinnahmen an das Land zurückerstatten. Mancherorts besteht wegen einer eigenartigen Solidarisierung zwischen den Klinikverwaltungen und den Praxisinhabern keine Motivation, der
Förderbehörde hierbei zu adäquaten Einnahmen zu
verhelfen.
Die sonstigen Betriebskosten (Strom, Klimaanlage usw.)
werden mit 150 000 bis 250 000 DM kalkuliert.
Die Personalausstattung eines Praxisgerätes besteht in
der Regel aus dem Praxisinhaber, einem angestellten Assistenzarzt (ca. BAT II) oder Arzt im Praktikum (50%
von BAT II), zwei Röntgenassistentinnen (ca. BAT V b)
und einer Schreibkraft (ca. BAT VII). An Stelle von Rönt30
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 05
Hilfe
Treffer
genassistentinnen werden zur Bedienung von MR-Geräten
im Praxisbereich häufig tariflich günstigere Arzthelferinnen oder sonstige angelernte Kräfte eingesetzt. Die angestellten Ärzte in Ausbildung werden im Vergleich zum
BAT vielerorts unter Tarif bezahlt. Bei einigen Kooperationen stellt die Klinik auch unentgeltlich einen Assistenzarzt der Röntgenabteilung an die Praxis ab, um die
Facharztausbildung zu gewährleisten. Die Personalkosten
eines Praxisgerätes können deshalb je nach örtlicher Situation zwischen ca. 150 000 und 400 000 DM schwanken.
Die häufig zur Rechtfertigung der früher relativ hohen MR-Honorare angeführten, in einer Publikation von
Gerhardt (1994) genannten Personalkosten von 532 000
DM pro Jahr treffen ausschließlich auf die Universitätskliniken zu. Sie beinhalten auch die Ausgaben für auszubildende MTRA und Ärzte sowie für Personal für die Forschung. Falls ein MR-Gerät von einer Klinik selbst betrieben wird, hängen die Personalkosten ebenfalls von den
lokalen Umständen ab. Wenn die Zahl der bisher durchgeführten Untersuchungen durch die Neueinführung der
Kernspintomographie abnimmt, oder die Abteilung während der Kernzeit nicht voll ausgelastet war und das Gerät räumlich günstig zur Röntgenabteilung liegt, kann es
ohne zusätzliche Stellen betrieben werden. Dies wurde an
mehreren Kliniken realisiert. Im ungünstigsten Fall erfordert der Regelbetrieb (38,5 Stunden wöchentlich) eines
MR-Gerätes durch eine nichtuniversitäre Röntgenabteilung zusätzlich jeweils 1,3 bis 1,5 MTRA- und Arztstellen.
Dies entspricht jährlichen Lohnkosten von maximal
250 000 DM.
Die basalen jährlichen Gesamtkosten für die Anschaffung und den Betrieb eines modernen 1-Tesla-Gerätes mit
allen Optionen liegen zwischen 490 000 DM im günstigs31
Universitärer und
nichtuniversitärer
Betrieb
Jährliche
Gesamtkosten
7 z 05 05
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Inhalt
MR-Gerätes außerhalb
der Klinik
Kosten pro
Untersuchung
Suchen
Treffer
Hilfe
ten und 900 000 DM im ungünstigsten Fall – wenn keine
elementaren betriebswirtschaftlichen Fehler gemacht werden. Dies gilt sowohl für ein krankenhauseigenes Gerät
als auch für ein Praxisgerät nach dem „Kooperationsmodell 3“.
Wesentlich teurer ist für einen niedergelassenen Radiologen der Betrieb eines MR-Gerätes außerhalb einer
Klinik. Hier müssen die Baukosten selbst getragen werden. Die Raummiete liegt um ein Vielfaches höher. Die
Versorgungsstrukturen der Klinik (z. B. Handwerker, Reinigungsdienst, Casino, Heizung) stehen nicht kostengünstig oder unentgeltlich zur Verfügung. Die niedrigen
Strompreise des Großverbrauchers Krankenhaus sowie
die Klinikrabatte bei medizinischen Verbrauchsmitteln
können durch eine einzelne Praxis nicht erzielt werden.
Neben den oben aufgeführten basalen Kosten sind bei
der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit eines MR-Gerätes
die Kosten pro Untersuchung zu berücksichtigen. Dazu
zählen im wesentlichen das Kontrastmittel, die Röntgenfilme, die Injektionsmaterialien, die Kosten für Archivierung und Strom. Wird das Gerät über die regulären
Dienstzeiten hinaus betrieben, entstehen durch Überstunden oder Schichtdienste auch zusätzliche Personalkosten.
Der Durchschnittswert der Fallkosten hängt vom Patientengut ab. Überwiegen z. B. orthopädische Standardfragestellungen, sind die Kosten niedriger als bei einem überwiegend neurologischen Krankengut. Neurologische Fragestellungen erfordern häufiger eine Kontrastmittelgabe
sowie eine größere Zahl an Messungen und benötigen
auch mehr Röntgenfilme zur Dokumentation. Die durchschnittlichen Fallkosten ohne Lohnanteile können deshalb
von Klinik zu Klinik zwischen ca. 30 und 150 DM
schwanken.
32
7 z 05 05
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Februar 2000
Inhalt
Suchen
Hilfe
Treffer
Beim Vergleich der Kosten, die für ein Krankenhaus
beim Eigenbetrieb und bei der Privatisierung der Kernspintomographie entstehen, müssen neben den Ausgaben
auch die erzielbaren Erlöse berücksichtigt werden. Einnahmen erzielt das Krankenhaus bei eigenem MR durch
die Abgaben des Chefarztes bei den stationären und ambulanten Privatpatienten. Sie liegen bei einem „Neuvertrag“ weit über den Unkosten, die der Klinik entstehen.
Bei privatisiertem MR verbleiben die Einnahmen aus der
Privatliquidation in voller Höhe beim Praxisinhaber. Hier
kann die Klinik lediglich Erlöse durch die Mieteinnahmen erzielen. Den gesetzlichen Krankenkassen entgeht
die Abgabe von 40%, die der Chefarzt vom Honorar der
stationären Privatpatienten abzuführen hat.
Der Vergleich in Tabelle 2 für ein modernes 1-TeslaGerät beruht auf der Annahme, dass arbeitstäglich acht
Erlöse
Eigenbetrieb contra
Privatisierung
Tabelle 2: Vergleich der jährlichen Kosten einer Klinik für 10 MR-Untersuchungen pro
Tag bei Selbsterbringung und Privatisierung nach dem „Kooperationsmodell 3“
[Annahmen: 1-Tesla-Gerät mit allen Optionen (Kaufpreis 1 oder 1,8 Mio. DM, 8 Jahre
Nutzungsdauer, Zinssatz 10%), pro Tag 8 stationäre allgemeinversicherte Patienten,
1 stationärer Privatpatient, 1 ambulanter Privatpatient bei insgesamt 240 Arbeitstagen]
Kosten
und Erlöse
Einzelne
Kosten
Klinikeigenes MR
Privatisiertes MR
Gerät: 180 000–310 000 DM
Wartung: 100 000–180 000 DM
zusätzliches Personal: 0–250 000 DM
Betriebskosten: 150 000–250 000 DM
maximale Fallkosten: 240 000 DM
Honorar für 8 Patienten/Tag:
à 500 DM = 960 000 DM
à 715 DM = 1 372 800 DM
Gesamtkosten
670 000–1 230 000 DM
960 000–1 372 800 DM
Erlöse
Vorteilsausgleich für 240 stat. Privatpat.
bzw. Abgaben und Sachkosten für 240
amb. Privatpat.= 240 000 DM
Miete (240 m2)
12 DM pro m2 = 28.800 DM
20 DM pro m2 = 48.000 DM
Effektive Kosten 430 000–990 000 DM
912 000–1 344 000 DM
33
7 z 05 05
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Inhalt
Suchen
Treffer
Hilfe
gesetzlich krankenversicherte stationäre Patienten sowie
je ein stationärer und ein ambulanter Privatpatient untersucht werden und die Abgaberegelungen eines „modernen“ Chefarztvertrages bestehen. Für den Privatisierungsfall wurde ein Honorar von 500 DM zu Grunde gelegt.
Manche Krankenhäuser zahlen erheblich mehr für eine
Untersuchung. Bei optimalen betriebswirtschaftlichen
Rahmenbedingungen sind die Honorarkosten der Klinik
um 400 000 DM teuerer als der Eigenbetrieb. Im ungünstigsten Fall sind die Ausgaben in etwa identisch. Unter
durchschnittlichen Bedingungen liegt der „break even“
ca. bei 6 Patienten täglich, also ca. 1400 MR-Untersuchungen pro Jahr. Als offizielle Anhaltszahl für eine wirtschaftliche Geräteauslastung, die einen Eigenbetrieb
durch ein Krankenhaus rechtfertigt, gelten als Minimum
1800 Untersuchungen jährlich.
Wenn ein klinikeigenes Gerät über den „break even“
hinaus nicht vollständig ausgelastet wird, wirkt sich dies
weder für das Krankenhaus noch für die Allgemeinheit finanziell negativ aus. Da es keine Verrechnungsmodalitäten
zwischen den kassenärztlichen Einnahmen, der Privatliquidation und den Honorarzahlungen des Krankenhauses
gibt, kommt die bessere Geräteauslastung im Privatisierungsfall ausschließlich dem Einkommen des Praxisinhabers zugute. Ob jährliche Honorarzahlungen in Höhe von
1,8 Mio. DM, wie sie von einer großen bayerischen Klinik
im Rahmen des „Kooperationsmodell 3“ erfolgten, volkswirtschaftlich sinnvoll sind, erscheint fraglich. Für diesen
Betrag hätte das Krankenhaus jedes Jahr ein neues MR-Gerät kaufen und die Betriebskosten problemlos decken können. Da ausserhalb dieser Klinik zwei weitere MR-Geräte
betrieben werden, ist die Versorgung der ambulanten Patienten auch ohne Kooperationsmodell gewährleistet.
34
Ursachen, Modalitäten und Folgen der MR-Privatisierung
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 05
Hilfe
Treffer
Von Vorteil ist diese Situation vermutlich nur für die
Förderbehörden, da diese die Investitionskosten für das
Gerät und den jährlichen Betriebskostenzuschuss von
200 000 DM einsparen können. Für den Bürger, der sowohl Steuern als auch Krankenkassenbeiträge zu entrichten hat, entstehen über 8 Jahre in diesem Fall durch die
Privatisierung Honorarkosten in Höhe von ca. 13,6 Mio.
DM, während der Eigenbetrieb selbst im ungünstigsten
Fall lediglich Kosten bis ca. 7 Mio. DM verursachen würde. Wirkliche Einsparungen entstehen durch eine MR-Privatisierung oder eine sonstige Privatisierung für ein
Krankenhaus und die Allgemeinheit nur dann, wenn die
zu zahlenden Honorare niedriger sind als die Kosten des
Eigenbetriebes.
Die oben genannte Umfrage unter den radiologischen
Chefärzten in Bayern ergab, dass 39% der erfassten Krankenhäuser die Kernspintomographie ohne Beteiligung der
klinikeigenen Radiologie privatisiert hatten. 18% berichteten, dass eine Privatisierung nach dem „Modell 3“ erfolgt
sei und die Klinikpatienten von ihrer Abteilung untersucht würden. 94% waren der Ansicht, dass ihre Abteilung ohne eigenes MR langfristig nicht mehr existenzfähig sei.
Die Verfügbarkeit neuer MR-Technologien, wie der
MR-Angiographie und der kernspintomographischen
Darstellung der Gallenwege und des Bauchspeicheldrüsenganges, wird in Zukunft von essenzieller Bedeutung
sein. Dies gilt insbesondere dort, wo mehrere Kliniken in
Konkurrenz zueinander stehen. Krankenhäuser, die sich
in ihren Kooperationsverträgen langfristig an niedergelassene Radiologen gebunden haben, werden in eine weitreichende Abhängigkeit geraten. Über die Qualität ihrer
MR-Geräte und ihre fachliche Qualifikation werden die
35
Kaum wirkliche
Einsparung durch
Privatisierung
Gefahr der
Abhängigkeit
7 z 05 06
Perspektiven der Röntgenabteilungen kommunaler und frei-gemeinnütziger Kliniken
Inhalt
Suchen
Treffer
Hilfe
Praxisinhaber die Qualität und das Image der Klinik entscheidend beeinflussen.
7 z 05 | 06
Perspektiven der Röntgenabteilungen kommunaler
und frei-gemeinnütziger Kliniken
Zwang zur
Umstrukturierung
Die Kombination aus fehlenden Investitionsmitteln, zunehmend ungünstigeren Fallkosten, eingeschränkter
Handlungsfreiheit des Chefarztes, wachsendem Konkurrenzdruck durch niedergelassene Radiologen und nichtradiologische Fachdisziplinen, bereits vollzogener MR-Privatisierung und anstehendem grundlegendem Wandel der
Radiologie wird eine Umstrukturierung vieler bislang klinikeigener Röntgenabteilungen erzwingen. Anlässlich eines Workshops im Rahmen des deutschen Röntgenkongresses 1998 über die Privatisierung von radiologischen
Krankenhausabteilungen wurde prognostiziert, dass die
Privatisierung in Kliniken unter 600 Betten unvermeidlich sei. Für Krankenhäuser über 800 Betten sei es in der
Regel wirtschaftlicher, weiter eine eigene Röntgenabteilung zu betreiben. In Häusern mit 600 bis 800 Betten
würde der Zwang zur Privatisierung von den lokalen Gegebenheiten abhängen:
z Sind Investitionsmittel vorhanden?
z Erzielt die Klinik Gewinn?
z Ist der Krankenhausträger willens, die Röntgenabteilung zu erhalten?
z Ist die Röntgenabteilung ausgelastet und leistungsfähig?
z Arbeitet sie rentabel? Verfügt der Chefarzt über eine
gute Akzeptanz?
z Wann geht er in Ruhestand?
z Sollen neue Verfahren an der Klinik eingeführt werden?
36
Perspektiven der Röntgenabteilungen kommunaler und frei-gemeinnütziger Kliniken
Inhalt
z
Februar 2000
z
Suchen
7 z 05 06
Hilfe
Treffer
Ist die Kernspintomographie und/oder die Computertomographie bereits privatisiert?
Streben niedergelassene Radiologen eine Übernahme
der Röntgenabteilung an?
Für die gesundheitspolitisch gewünschte „Verzahnung ambulant-stationär“ bestehen in der Radiologie grundsätzlich mehrere Möglichkeiten:
z die Vollprivatisierung,
z die Vollprivatisierung mit Nutzung durch Krankenhausteilgebietsradiologen,
z Kooperation zwischen dem radiologischen Chefarzt
und niedergelassenen Radiologen oder Teilgebietsradiologen.
Mögliche Gesellschaftsformen sind die Apparategemeinschaft und die Praxisgemeinschaft (Wigge 1997).
Formen der
Privatisierung
Pragmatische und kostengünstige Lösungen werden
durch eine Reihe verwaltungsrechtlicher Vorgaben erschwert. Bei der Vollprivatisierung einer staatlich geförderten Abteilung muss z. B. in Bayern ein erheblicher Teil
der Fördermittel an das Bundesland zurückgezahlt werden. Bei der Integration einer Röntgenabteilung in eine
bereits außerhalb der Klinik bestehende Röntgenpraxis
dürfen in manchen Bundesländern in der Klinik keine
ambulanten allgemeinversicherten Patienten untersucht
werden. Für eine privatisierte Röntgenabteilung muss ein
eigener Eingang geschaffen werden. Die EDV des früheren Klinikinstitutes darf bei einer Privatisierung nicht
mehr mit der Krankenhaus-EDV verknüpft sein usw.
Insgesamt sind die Details einer Voll- oder Teilprivatisierung derartig komplex, dass immer die Einschaltung
von hochspezialisierten Juristen und Betriebswirten erfor-
Bürokratische und
andere Hürden
37
Klinikradiologe ohne
gesetzlichen Rückhalt
7 z 05 06
Perspektiven der Röntgenabteilungen kommunaler und frei-gemeinnütziger Kliniken
Inhalt
Konflikt zwischen
amubulanten und
Notfallpatienten
Alternativen
zur Privatisierung
Suchen
Treffer
Hilfe
derlich ist. Falls ortsansässige niedergelassene Radiologen
eine Übernahme der Klinikradiologie anstreben, ist der
radiologische Chefarzt meistens chancenlos. Da seine Interessen im Gegensatz zu denen seiner niedergelassenen
Kollegen durch keinerlei gesetzliche Regelungen geschützt
sind, ist er in dieser Situation beliebig erpressbar. Wie
bereits erwähnt, ist das Grundproblem hierbei, dass der
radiologische Chefarzt im Falle einer Privatisierung keinen regelhaften Anspruch auf einen Kassensitz hat. Die
Anträge auf Sonderbedarfszulassung werden von den kassenärztlichen Vereinigungen überwiegend abgelehnt.
Die Vollprivatisierung birgt insbesondere in Akutversorgungskliniken mit vielen Notfällen organisatorische
Probleme in sich. Eine genaue Terminplanung für die ambulanten Patienten ist aufgrund der Notfälle nicht möglich. Dies gilt vor allem für die Computertomographie.
Da CT-Untersuchungen z. B. von Schädel-Hirnverletzten
oder Schlaganfallpatienten sofort durchgeführt werden
müssen, können für die ambulanten Patienten lange Wartezeiten entstehen. Die gesundheitspolitisch gewünschte
Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung
bedeutet hier permanenten Ärger mit den ambulanten
Patienten. Da Röntgenpraxen nur eine Ausbildungsberechtigung für maximal 2 Jahre haben, kann es schwierig
werden, Bereitschaftsdienste aufrecht zu erhalten.
Dem Handlungsspielraum des leitenden Krankenhausradiologen sind enge Grenzen gesetzt, falls er nach einer
Alternative zur Privatisierung sucht. Denkbar wäre z. B.,
dass der Chefarzt einer gut ausgelasteten Abteilung Ersatz- und Neubeschaffungen aus eigenen Mitteln tätigt,
wenn die hierfür vorgesehenen staatlichen Gelder nicht
ausreichend sind. Ähnlich wie bei einer Privatisierung
könnte er für jede von der Klinik veranlasste Untersu38
Perspektiven der Röntgenabteilungen kommunaler und frei-gemeinnütziger Kliniken
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 06
Hilfe
Treffer
chung ein Honorar für die Gerätenutzung erhalten. Selbst
wenn dieses Entgelt so gestaltet ist, dass es lediglich kostendeckend und nicht gewinnbringend ist und selbst
wenn die Gesamtkosten (Gerätenutzungsentgelt, Personalkosten, Verbrauchsmittel usw.) dieses Modells wesentlich
unter den Honorarkosten einer Vollprivatisierung liegen
würden, wäre es bei der derzeitigen Gesetzeslage nicht
realisierbar, falls es sich um eine Ersatzbeschaffung handelt. Die Krankenkassen würden dadurch für Kosten aufkommen, die im bisherigen dualistischen Finanzierungssystem vom Staat zu tragen sind. Paradoxerweise erstatten die Krankenkassen aber einen erheblichen Teil auch
des investiven Kostenanteiles der Honorare bei einer
Vollprivatisierung.
Als weiteres Modell wäre auch denkbar, dass eine klinikeigene Röntgenabteilung freie Gerätekapazitäten niedergelassenen Radiologen und Teilgebietsradiologen gegen Entgelt zur Verfügung stellt, um damit die Ertragssituation zu verbessern. Auch dieser Weg ist partiell verbaut: Übersteigt der Mitbenutzungsanteil niedergelassener
Ärzte für ambulante Leistungen ein Drittel der Gesamtnutzung eines Gerätes, müssen die von der Klinik erzielten Entgelte an die Förderbehörde zum Teil abgeführt
werden. Die Honorare ambulanter privatversicherter Patienten sind vom niedergelassenen Arzt um 25% zu kürzen. Hemmend ist ferner der Zwang zur Selbsterbringung, der sogar bei Standardröntgenaufnahmen die persönliche Anwesenheit des niedergelassenen Radiologen
oder Teilgebietsradiologen erfordert. Kassenärztlich tätige
Ärzte haben deshalb an solchen Modellen kaum Interesse.
Auf Grund der überlegenen Rechtsposition der Niedergelassenen ist der leitende Krankenhausarzt bei jeder Art
der Kooperation auf deren guten Willen und faires Ver39
7 z 05 06
Perspektiven der Röntgenabteilungen kommunaler und frei-gemeinnütziger Kliniken
Inhalt
Enorme Kosten
der Digitalisierung
Qualität sichert
Überleben
Suchen
Treffer
Hilfe
halten angewiesen. Damit sind Kooperationen, die dem
niedergelassenen Arzt nicht maximalen Gewinn zugestehen, weitgehend zum Scheitern verurteilt.
Die Möglichkeiten, durch effizienzsteigernde Maßnahmen den Bestand einer Abteilung zu sichern, sind begrenzt. Optimale Einkaufspreise für Verbrauchsmaterialien und der Abbau von Personalüberhängen sind heute
an den meisten Kliniken selbstverständlich. Die vielgepriesene Digitalisierung einer Röntgenabteilung mit Aufbau eines PACS kostet je nach Größe einer Klinik und Ausgangssituation zwischen 2 und 15 Mio. DM (Kap. 10.04). Sie
muss aus den regulären pauschalen Fördermitteln finanziert werden. Für defizitär arbeitende Kliniken ist diese
Maßnahme deshalb kaum realisierbar. Abteilungen mit einem optimal durchorganisierten konventionellen Archiv
und niedrigen Filmeinkaufspreisen können durch PACS
aufgrund der anfallenden hohen Wartungskosten für die
digitalen Bildaquisitionsgeräte und die PACS-Anlage keine
Einsparungen im Vergleich zum konventionellen Betrieb
erzielen. Herkömmliche Bucky-Röntgenarbeitsplätze können ohne Wartungsvertrag zur Not auch 15 bis 20 Jahre betrieben werden. Die Generationszeit digitaler Röntgenarbeitsplätze mit Speicherfolien oder den zukünftigen Flachbilddetektoren beträgt dagegen nur 10 Jahre. Wartungsverträge in Höhe von jährlich 5 bis 10% des Kaufpreises sind
nach den Vorstellungen der Hersteller für diese Anlagen
obligat.
Die eindeutigen Vorteile der digitalen Techniken für
die Patientenversorgung wie z. B. Dosisreduktion, verbesserte diagnostische Aussagekraft, schonendere Untersuchungstechniken sowie reibungsfreiere und schnellere organisatorische Abläufe haben in Zeiten knapper Mittel
leider nur geringes Gewicht. Die vielfach empfohlene tele40
Perspektiven der Röntgenabteilungen kommunaler und frei-gemeinnütziger Kliniken
Februar 2000
Inhalt
Suchen
7 z 05 06
Hilfe
Treffer
radiologische oder sonstige Anbindung kleiner Krankenhäuser an Röntgenabteilungen größerer Kliniken wird nur
dort möglich sein, wo Niedergelassene daran kein Interesse haben. Das essenzielle Problem klinikeigener Röntgenabteilungen, Ersatz-und Neubeschaffungen der Geräte
kaum mehr finanzieren zu können, lässt sich dadurch
letztendlich auch nicht lösen. Die beste Sicherung der Eigenständigkeit lässt sich durch perfekte Qualität und einen perfekten Service für die Zuweiser und Patienten erzielen. Der Protest zufriedener und damit solidarischer,
klinischer Kollegen hat bereits mehrere geplante Privatisierungen von Röntgenabteilungen zumindest hinausgeschoben.
Falls die für das Jahr 2003 geplante Umstellung von
der dualistischen auf die monistische Finanzierung Gesetzeskraft erlangen würde, würde die Ersatz- und Neubeschaffung radiologischer Geräte durch die Krankenhäuser
weiter erschwert werden. Von 2003 bis 2008 würden die
jetzt gewährten „pauschalen Fördermittel“ schrittweise
vollständig abgebaut werden. Sie sollen nach den Vorstellungen von Bundesgesundheitsministerin Fischer durch
Mobilisierung von Rationalisierungsreserven von den Kliniken selbst aufgebracht werden. Da an den meisten Kliniken keine relevanten Einsparpotentiale mehr vorhanden
sind, würde dies die Vollprivatisierung von Röntgenabteilungen weiter begünstigen (Bruckenberger 1999).
41
Gesundheitsreform
begünstigt
Privatisierung
7 z 05 06
Perspektiven der Röntgenabteilungen kommunaler und frei-gemeinnütziger Kliniken
Inhalt
Suchen
Hilfe
Treffer
z zusammenfassung
Insbesondere für kleine Kliniken sind die Rahmenbedingungen für eine Radiologieabteilung sehr
problematisch. An Standorten, die für niedergelassene Röntgenärzte günstig sind, ist die Privatisierung einer Krankenhausabteilung oft vorprogrammiert. Die beste Sicherung der Eigenständigkeit
lässt sich durch perfekte Qualität und einen ebensolchen Service für die Zuweiser und Patienten erreichen.
Literatur
Bruckenberger E (1998) Die Ausgliederung der Radiologie ist eine
logische Konsequenz. Klinikmanagement aktuell 27:56–57
Bruckenberger E (1999) Gesundheitsreform 2000 – die Monistik
wird „teurer“ als erwartet. Arzt und Krankenhaus 72:323–328
Gerhardt P (1994) Diagnostische Radiologie. Kosten im Gesundheitswesen und Notwendigkeit therapierelevanter Untersuchungsstrategien. Röntgenpraxis 47:129–138
Gerhardt P (1996) Diagnostische Radiologie im Spektrum der
Kostenentwicklung in der Medizin. Der Radiologe 36:270–278
Kauffmann G (1999) Zur Situation der diagnostischen Radiologie in der Bundesrepublik Deutschland mit besonderer Berücksichtigung der MRT. Fortschr. Röntgenstr. 170:74–81
Knorr G (1995) Flächendeckende Versorgung mit radiologischen
Großgeräten in Bayern. Röntgenpraxis 48:98–103
Schwing C (1998) Ausgliederung radiologischer Krankenhausabteilungen. Subventionieren oder Privatisieren? Klinikmanagement aktuell 27:52–56
Wigge P (1997) Kooperationsformen: Ambulante und stationäre
Versorgung am Beispiel der Radiologie Deutsche Röntgengesellschaft. Informationen 1/97. März 1997:7–14
Weiter
42