Problemstellung Inhalt Suchen 2 z 44 01 Hilfe Treffer 2 z 44 Beschwerdemanagement Bernd Stauss inhaltsüberblick Der Beitrag betrachtet zunächst die Besonderheiten des Beschwerdeverhaltens der Patienten. Anschließend werden unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse grundlegende Ziele des Beschwerdemanagements formuliert. Auf dieser Basis werden wichtige Einzelaufgaben des Beschwerdemanagements benannt und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. 2 z 44 | 01 Mai 2000 Problemstellung In Zeiten zunehmenden Kostendrucks und wachsender Wettbewerbsintensität wächst auch in Krankenhäuser die Notwendigkeit einer kundenorientierten Unternehmensführung und die Bedeutung von Patientenzufriedenheit als Zielgröße. Doch Bekenntnisse zu kundenbezogenen Zielsetzungen bleiben unverbindlich, sofern sie keine Auswirkungen auf die Erfahrungen unzufriedener Kunden haben. Es ist eine Mindestanforderung an das Management, Kundenunzufriedenheit möglichst zu vermeiden und – wenn die Unzufriedenheit bereits eingetreten ist – ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, sie zu beseitigen. Deshalb ist es notwendig, den Kundenbeschwerden große Aufmerksamkeit zu widmen. Deutlicher als in Beschwerden können Patienten dem Krankenhaus ihre Unzufriedenheit nicht mitteilen. Deutlicher als durch abweisende Reaktion auf Beschwerden kann das Krankenhaus nicht ausdrücken, daß es an Patientenzufriedenheit nicht wirklich interessiert ist. Anders gesagt: Wer Patientenorientierung als Voraussetzung für die langfristige Über1 Beschwerde nicht als Problem, sondern als Chance begreifen 2 z 44 02 Erkenntnisse über das Beschwerdeverhalten Inhalt Suchen Treffer Hilfe lebensfähigkeit des Unternehmens erkannt hat und Patientenzufriedenheit als Ziel ernst nimmt, der sieht in Beschwerden nicht ein Problem, das es abzuwehren gilt, sondern begreift sie als Chance und das Beschwerdemanagement als Kern einer kundenorientierten Unternehmensstrategie (Stauss u. Seidel 1998 S. 18). 2 z 44 | 02 Erkenntnisse über das Beschwerdeverhalten und ihre Bedeutung für das Verständnis unzufriedener Patienten Beschwerdeverhalten als Prozeßmodell Beschwerdemanagement setzt Kenntnisse über das Beschwerdeverhalten voraus. Die Beschwerdeverhaltensforschung befaßt sich mit der Frage, welche Kunden sich über welche Probleme auf welche Weise bei wem beschweren – und welche Kunden trotz Unzufriedenheit von einer Beschwerde absehen. Das Beschwerdeverhalten von Kunden kann anhand eines einfachen Prozeßmodells erläutert werden, das den Ausgangspunkt bei der Unzufriedenheit des Kunden nimmt (s. Abb. 1–3). In der Kundenzufriedenheit bzw. -unzufriedenheit spiegelt sich wider, wie ein Mensch Produkte oder Dienstleistungen beurteilt, mit denen er zuvor Erfahrungen gesammelt hat. Hinsichtlich des Beurteilungsprozesses geht man davon aus, daß Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit als Folge einer wahrgenommenen Diskrepanz zwischen erwarteter und erlebter Leistung entsteht. Vor der Inanspruchnahme einer Leistung entwickeln Kunden diesbezügliche Erwartungen. Bei bzw. nach Inanspruchnahme vergleichen sie die wahrgenommene Leistung mit ihren Erwartungen. Sie empfinden Zufriedenheit, wenn ihre Erwartungen wesentlich überschritten werden. Unzufriedenheit tritt ein, wenn die Leistung erheblich unter den Erwartungen liegt. Bei annähernder Entsprechung von Er2 Erkenntnisse über das Beschwerdeverhalten Inhalt Suchen 2 z 44 02 Hilfe Treffer Mai 2000 Abb. 1: Entstehung von (Un-)Zufriedenheit. (Stauss u. Seidel 1998 S. 41) wartung und Leistung kommt es dagegen nicht zu Zufriedenheits- bzw. Unzufriedenheitsgefühlen, sondern zu einem indifferenten Eindruck (Abb. 1). Tritt nun aufgrund des Vergleichsprozesses das Gefühl der Unzufriedenheit auf, stehen dem Kunden unterschiedliche Verhaltensweisen zur Verfügung. Er kann inaktiv bleiben, z. B. weil er keine Erfolgschancen sieht. Wird er jedoch aktiv, kann er z abwandern, z negative Mundkommunikation betreiben oder z sich gegenüber dem Unternehmen (bzw. Drittinstitutionen) beschweren. In vielen Fällen wandern Kunden gleich ab, weil sie die Auseinandersetzung mit dem Unternehmen als zeitaufwendig, belastend und/oder vergeblich ansehen. Häufig wird die Abwanderung von negativer Mundkommunikation begleitet (Bruhn 1982 S. 57 f.). Diese Mundkommunikation ist in besonders hohem Maße wirksam. Da der Betroffene den Vorfall selbst erlebt hat und er mit seiner Schilderung keine eigennützigen Zwecke verfolgt, er3 Wie der Kunde reagieren kann 2 z 44 02 Erkenntnisse über das Beschwerdeverhalten Inhalt Suchen Treffer Hilfe scheint der Inhalt der Mundkommunikation den Gesprächspartnern weitaus glaubwürdiger und überzeugender als jede bezahlte Werbemaßnahme des Anbieters. Ein Teil der Unzufriedenen aber beschwert sich beim Unternehmen oder wendet sich mit seinem Problem an Verbraucherorganisationen, Medien oder einen Rechtsanwalt. Beschwerdekosten Einflußfaktoren des Beschwerdeverhaltens Empirische Ergebnisse der Beschwerdeverhaltensforschung zeigen, daß vor allem folgende Aspekte als Einflußfaktoren des Beschwerdeverhaltens anzusehen sind: Beschwerdekosten, Beschwerdenutzen, Produktmerkmale, Problemmerkmale, personenspezifische und situationsspezifische Merkmale (Abb. 2). Offensichtlich nehmen Kunden eine interne KostenNutzen-Abschätzung vor, von deren Ergebnis sie es abhängig machen, ob sie sich beschweren oder nicht. Mündliche, schriftliche oder telefonische Beschwerden sind für den Kunden jeweils mit Zeitaufwand und Kosten, Abb. 2: Handlungsalternativen und deren Einflußmöglichkeiten bei Unzufriedenheit. (Stauss u. Seidel 1998 S. 48) 4 Erkenntnisse über das Beschwerdeverhalten Mai 2000 Inhalt Suchen 2 z 44 02 Hilfe Treffer häufig auch mit ärgerlichen Auseinandersetzungen verbunden. Je höher die wahrgenommenen Beschwerdekosten sind, desto weniger wird die Handlungsalternative „Beschwerde“ gewählt. Die aufzuwendenden Kosten werden dem Nutzen der Beschwerde gegenübergestellt. Dieser ist in erster Linie abhängig vom subjektiven Wert der Problemlösung, die der Kunde vom Anbieter erwartet. Der Wert wird allerdings mit der angenommenen Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde gewichtet. Die meisten Kunden beschweren sich nur, wenn sie eine Chance sehen, daß das Unternehmen zur Wiedergutmachung oder einer Änderung des Verhaltens bereit sein könnte. Wer keine Hoffnung auf eine positive Reaktion hat oder sich bewußt ist, daß eine nachträgliche Problemlösung nicht mehr möglich ist, unterläßt häufig diese Aktivität. Zu den Produktmerkmalen, die die Beschwerdewahrscheinlichkeit beeinflussen, gehört vor allem die Relevanz des Konsumereignisses. Das Vorbringen von Beschwerden ist aufwendig und lästig. Der Kunde nimmt dies nur in Kauf, wenn er den Schaden, den er erlitten hat, als erheblich ansieht. Das ist immer dann der Fall, wenn es sich um hochpreisige Güter handelt oder wenn das Ereignis vom Kunden aus anderen Gründen (z. B. wegen physischer oder psychischer Folgen) als besonders wichtig eingeschätzt wird. Auch spezifische Aspekte des zugrundeliegenden Problems bestimmen das Beschwerdeverhalten, vor allem die Nachweisbarkeit des Problems und die Eindeutigkeit der Ursachenattribuierung. Nicht alle Kundenprobleme, die Kunden wahrnehmen, machen sie auch in gleichem Maße zum Gegenstand von Beschwerden. Am ehesten wählen sie diesen Weg, wenn es sich um eindeutig beweisbare 5 Beschwerdenutzen Produktmerkmale Problemmerkmale 2 z 44 02 Erkenntnisse über das Beschwerdeverhalten Inhalt Personenspezifische Merkmale Suchen Treffer Hilfe Probleme mit geringem subjektiven Ermessens- und Bewertungsspielraum handelt. Ist der Sachverhalt aber nicht zu beweisen oder kann der Vorfall unterschiedlich interpretiert werden, gehen Kunden seltener das Wagnis einer (vor allem schriftlichen) Beschwerde ein. So werden beispielsweise Qualitätsmerkmale, die – wie z. B. mangelnde Freundlichkeit – stark einer subjektiven Einschätzung unterliegen, wesentlich weniger zum Gegenstand von Beschwerden gemacht als belegbare Sachverhalte (Nichteinhaltung von Terminzusagen), selbst wenn der Grad der empfundenen Unzufriedenheit jeweils gleich groß ist. Als Problemmerkmal spielt auch die Eindeutigkeit der Ursachenattribuierung eine große Rolle. Beschwerden kommen als Reaktionsweise unzufriedener Kunden um so mehr in Betracht, je eindeutiger die Ursache der Unzufriedenheit dem Anbieter zugeschrieben wird. Ist der Kunde fest davon überzeugt, daß nur der Anbieter die „Schuld“ für das aufgetretene Problem hat, beschwert er sich eher als im Falle einer wahrgenommenen Mitschuld. Hat beispielsweise der Kunde den Eindruck, seine Wünsche nicht klar genug formuliert zu haben, ist eine Beschwerde wenig wahrscheinlich. Auch Persönlichkeitsmerkmale sind offenbar mit dafür verantwortlich, ob sich ein unzufriedener Kunde beschwert oder nicht. In verschiedenen empirischen Studien wurde der Einfluß von soziodemographischen Merkmalen (wie Alter, Geschlecht, Bildung), psychographischen Merkmalen (wie Produktkenntnis, Selbstbewußtsein, Beschwerdeerfahrung) sowie Verhaltensmerkmalen (z. B. Kommunikations- und Interaktionsverhalten) untersucht. Die Ergebnisse sind nicht einheitlich. Dennoch lassen sich grobe Tendenzaussagen machen, etwa in der Weise, daß sich Beschwerdeführer im Vergleich zu Nicht-Be6 Erkenntnisse über das Beschwerdeverhalten Inhalt Suchen Hilfe Treffer schwerdeführern durch einen höheren sozioökonomischen Status und ein verstärktes Selbstbewußtsein auszeichnen. Nicht zuletzt sind es auch die Umstände einer bestimmten Situation, die entscheidenden Einfluß darauf haben können, ob und wie sich ein Kunde beschwert. So kann z. B. die Tatsache, daß Dritte Zeuge eines Vorfalls gewesen sind, Einfluß auf die Bereitschaft haben, diesen Vorfall zur Sprache zu bringen. Mai 2000 2 z 44 02 Beschwerdeverhalten im Krankenhaus Betrachtet man diese Ergebnisse im Zusammenhang, wird klar, daß von kleinen Beschwerdezahlen keineswegs auf breite Kundenzufriedenheit geschlossen werden darf. Dies gilt insbesondere für Krankenhäuser, weil bei Patienten-Unzufriedenheit mit vergleichsweise besonders geringen Beschwerdezahlen zu rechnen ist. Als Gründe hierfür sind zu nennen, daß Patienten z die Erfolgswahrscheinlichkeit der Beschwerde als gering einschätzen, z nicht genügend Kenntnis haben, um medizinische Leistungen beurteilen zu können, z erlebte Unannehmlichkeiten im Vergleich zum Gesundungswunsch als weniger bedeutend einschätzen, z Verständnis für die besondere Situation von Mitarbeitern und Mitpatienten im Krankenhaus haben, z Sanktionen befürchten und z sich in einer abhängigen und machtunterlegenen Rolle sehen. Patienten sehen die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Beschwerde aus verschiedenen Gründen als gering an: Bestimmte Probleme im Krankenhausalltag sind nicht mehr 7 Situationsspezifische Merkmale Wenige Beschwerden heißt nicht gleich Zufriedenheit Erfolgswahrscheinlichkeit 2 z 44 02 Erkenntnisse über das Beschwerdeverhalten Inhalt Mangelnde medizinische Kenntnisse Das Problem, gesund zu werden, überlagert alle anderen Verständnis für spezielle Situation der Krankenhäuser Suchen Treffer Hilfe rückgängig zu machen (z. B. lange Wartezeiten). Bei einfachen Problemen bezweifelt man die Bereitschaft und die Möglichkeit, standardisierte Prozesse kundenindividuell anzupassen. Bei gravierenderen – vor allem medizinischen – Problemen glaubt man nicht daran, bei der „Autorität Arzt“ Gehör zu finden. Bezüglich der medizinischen Leistungen kommt es auch aufgrund von Informationsdefiziten der Patienten und der daraus resultierenden Schwierigkeit der Leistungsbeurteilung zu vergleichsweise wenigen Beschwerden (Kolodinsky 1993; McCrindle u. Jones 1998 S. 41). So überrascht es nicht, daß in der Beschwerdeauswertung für die städtischen Krankenhäuser in München die Kategorie „medizinische Versorgung“ die geringste Zahl von Nennungen aufweist (Hanel 1997 S. 20). Etwas anders ist die Situation nur, wenn das Problem völlig eindeutig ist und die Ursache klar dem Arzt zugewiesen werden kann. So zeigen Studien über Beschwerden in Notfall-Abteilungen einen vergleichsweise hohen Anteil von Beschwerden über Falschdiagnosen, z. B. bei Bruchverletzungen (Tucker u. Kornberg 1994 S. 94 f.). Viele Patienten beschweren sich nicht, weil sie angesichts der dominierenden Dringlichkeit des Gesundungswunsches bereit sind, kleinere Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Je gravierender die gesundheitliche Situation des Patienten ist, je stärker somit auch sein Interesse der medizinischen Kernleistung gilt, desto niedriger werden wahrgenommene Probleme (vor allem in bezug auf Serviceleistungen) gewichtet und auch artikuliert. In der empirischen Studie von Kreißl (1995 S. 62 f.) wird auch deutlich, daß Patienten ein hohes Maß an Verständnis zeigen in bezug auf die finanziellen, personellen und räumlichen Restriktionen, unter denen im Kranken8 Erkenntnisse über das Beschwerdeverhalten Mai 2000 Inhalt Suchen 2 z 44 02 Hilfe Treffer haus gearbeitet wird, und für die Lage ihrer Mitpatienten. Im Wissen um die Überlastung des Personals und im Bewußtsein der Unabänderlichkeit (z. B. räumlicher) Gegebenheiten passen sich Patienten an, reduzieren ihre Ansprüche und verzichten auf deren Artikulation. Auch spielt die Angst vor Sanktionen eine Rolle. Patienten wissen, daß ihr Wohlergehen im Krankenhaus und auch später zuhause wesentlich vom Wohlwollen der Pflegekräfte und Ärzte abhängig ist. Der Patient möchte nicht, daß diese wichtigen Personen verärgert werden. In der Rolle des abhängigen, auf Hilfe angewiesenen Kranken und in der auch in bezug auf die Verfügung über Informationen machtunterlegenen Situation neigen Kunden dazu, auf eine direkte Artikulation von Unzufriedenheit zu verzichten und statt dessen eher „schweigend zu leiden“ und Konsequenzen später zu ziehen (Stauss 1989 S. 53). Beschwerdezufriedenheit und -unzufriedenheit des Patienten Wählt ein unzufriedener Kunde trotz aller Barrieren die Handlungsalternative Beschwerde, so hat er wiederum bestimmte Erwartungen in bezug auf die Antwort des Unternehmens. Diese Beschwerdeerwartung ist nun der Standard, an dem er seine tatsächliche Erfahrung mit der unternehmerischen Reaktion vergleicht. Werden die Erwartungen erheblich übertroffen, tritt Beschwerdezufriedenheit ein, bei deutlicher Unterschreitung dagegen Beschwerdeunzufriedenheit. Wie die Beschwerdeverhaltensforschung zeigt, haben Beschwerdezufriedenheit bzw. -unzufriedenheit einen außerordentlich großen Einfluß auf Einstellungen, Kommunikations- und Kaufverhalten der Beschwerdeführer (Abb. 3). 9 Angst vor Sanktionen in machtunterlegener Situation 2 z 44 02 Erkenntnisse über das Beschwerdeverhalten Inhalt Suchen Treffer Hilfe Abb. 3: Entstehung von Beschwerde(un)zufriedenheit. (Stauss u. Seidel 1998 S. 55) Über Schlechtes wird mehr geredet Schlechte Noten für Dienstleister Krankenhaus Viele Studien belegen den Tatbestand, daß Beschwerdeerfahrungen zum Gegenstand der Mundkommunikation gemacht werden. Sowohl positive wie negative Erfahrungen werden in großem Umfang weitererzählt und wirken daher weit über den Einzelfall hinaus. Dabei erweist es sich, daß nicht zufriedengestellte Beschwerdeführer ihre Beschwerde im persönlichen Umfeld stärker thematisieren als dies zufriedene Beschwerdeführer tun. Dabei verbinden sie ihre Problemschilderung häufig mit konkreten Kaufwarnungen (Hansen u. Jeschke 1995 S. 539). Doch Beschwerdezufriedenheit bzw. -unzufriedenheit beeinflußt nicht nur das Kommunikationsverhalten, sondern auch die Wiederkaufbereitschaft. Im Falle eines Krankenhauses wäre dies die Bereitschaft, bei einer erneuten Erkrankung sich wiederum für dieses Krankenhaus zu entscheiden. Angesichts der großen Bedeutung von Beschwerdezufriedenheit für Kundenverhalten und Kundenloyalität muß es überraschen, in welch hohem Maße Krankenhäu10 Ziele des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen 2 z 44 03 Hilfe Treffer ser durch die Art ihrer Reaktion nicht Beschwerdezufriedenheit, sondern -unzufriedenheit auslösen. Nach den Ergebnissen des deutschen Kundenbarometers 1996 fällt die Beschwerdezufriedenheit bei Krankenhäusern/Kliniken im Branchenvergleich am niedrigsten aus. In der generell am schlechtesten bewerteten Gruppe der „Infrastrukturdienstleister“ nehmen sie eindeutig den letzten Platz ein. Erstaunliche 83% aller sich beschwerenden Kunden sind von der Beschwerdeantwort enttäuscht; der Mittelwert der Bewertung auf einer Skala (mit dem Wert 5 als schlechtestem Wert) liegt bei 4,11 (Abb. 4)! 2 z 44 | 03 Mai 2000 Ziele des Beschwerdemanagements Beschwerdemanagement beinhaltet einen komplexen unternehmerischen Handlungsbereich. Es umfaßt die Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen, die ein Unternehmen im Zusammenhang mit Beschwerden ergreift (Wimmer 1985 S. 233). Abb. 4: Beschwerdezufriedenheit in Krankenhäusern. (Meyer u. Dornach 1996 S. 61) 11 2 z 44 03 Ziele des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen Treffer Hilfe Die generellen Ziele Die generellen Ziele des Beschwerdemanagements liegen darin, z Kundenzufriedenheit wiederherzustellen, z die negativen Auswirkungen von Kundenunzufriedenheit auf das Unternehmen zu minimieren und z die in Beschwerden enthaltenen Hinweise auf betriebliche Schwächen und marktliche Chancen zu identifizieren und zu nutzen. Herstellung von (Beschwerde-) Zufriedenheit Vermeidung von anderen Reaktionsformen unzufriedener Kunden Die Teilziele Aus den generellen Zielen lassen sich die folgenden Teilziele ableiten. Die Herstellung von (Beschwerde-)Zufriedenheit ist als die wesentliche Grundlage für Einstellungsverbesserungen, Kundenbindung und Markentreue anzusehen. Durch eine schnelle, unbürokratische und großzügige Beschwerdebearbeitung und Fallösung kann Beschwerdezufriedenheit erreicht werden. Dabei hat sich gezeigt, daß Kunden, die eine angemessene Lösung ihres Problems erfahren haben, ein hohes Maß an Loyalität entwickeln. Beschwerden richten die Unzufriedenheit direkt gegen das Krankenhaus, so daß Gelegenheit besteht, Einfluß zu nehmen und Abhilfe zu schaffen. Wählen unzufriedene Patienten statt dessen andere Reaktionsformen, entstehen für das Krankenhaus hohe Kosten in Form entgangener Umsätze bzw. in Form von Imageeinbußen. Das ist immer dann der Fall, wenn Patienten – bei Wahlfreiheit – sich in einem späteren Krankheitsfall nicht wieder für dieses Krankenhaus entscheiden, wenn sie negative Mundkommunikation betreiben oder sich mit ihrem Anliegen an Drittinstitutionen (z. B. die Presse oder Gerichte) wenden. 12 Ziele des Beschwerdemanagements Mai 2000 Inhalt Suchen 2 z 44 03 Hilfe Treffer Kulante Beschwerdebearbeitung und die Existenz eines aktiven Beschwerdemanagements vermitteln den Patienten Sicherheit. Auf diese Weise leistet es einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung bzw. Aufrechterhaltung eines kundennahen Krankenhausimages. Auch wird nicht nur gegenüber dem Kunden ein deutliches Zeichen für die Ernsthaftigkeit des kundenorientierten Anspruchs gegeben, sondern auch intern gegenüber Mitarbeitern. Mit zunehmendem kritischem Kundenfeedback verstärkt sich auch der innerbetriebliche Druck zu kundenbezogenem Handeln. Durch eine entsprechende Beschwerdepolitik soll nicht nur negative persönliche Kommunikation verhindert, sondern auch positive Mundkommunikation ermöglicht werden. Da Konsumprobleme, die zu Beschwerden führen, und unternehmerische Beschwerdereaktionen im sozialen Umfeld besprochen werden, ist diese persönliche Kommunikation eine wichtige Einflußgröße der Einstellung anderer (potentieller) Patienten zum Unternehmen und somit ein zusätzlicher werblicher Efffekt. Beschwerden enthalten wichtige Informationen über relevante Probleme von Patienten und Angehörigen. Diese Informationen sind wichtig für das Qualitätsmanagement, weil sie Hinweise auf die Angemessenheit fixierter Qualitätsniveaus und die Einhaltung vorgegebener Qualitätsstandards liefern. Zudem bieten sie eine Fülle von Einsichten in Patientenerwartungen und deren Veränderungen. Diese Einsichten können für eine wettbewerbsgerechte Anpassung des Leistungsangebots genutzt werden können. Deshalb ist es erforderlich, den Informationsgehalt der Beschwerde zu erkennen und zu nutzen. Die Auswertung von Beschwerdeinformationen soll Maßnahmen ermöglichen, die dazu führen, daß Falsch13 Umsetzung und Verdeutlichung einer kundenorientierten Unternehmensstrategie Schaffung zusätzlicher werblicher Effekte mittels Beeinflussung der Mundkommunikation Auswertung und Nutzung der in Beschwerden enthaltenen Informationen 2 z 44 04 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen Treffer Hilfe Reduzierung interner und externer Fehlerkosten und Doppelarbeiten vermieden sowie Haftungs- und Garantieansprüche reduziert werden. Diese Reduzierung interner und externer Fehler schlägt sich als Kostenersparnis nieder. 2 z 44 | 04 Aufgaben des Beschwerdemanagements Direktes und indirektes Beschwerdemanagement Die Ziele des Beschwerdemanagements lassen sich nur erreichen, wenn für unzufriedene Kunden leicht zugängliche Beschwerdekanäle geschaffen werden, eine sach- und problemgerechte Beschwerdereaktion und -bearbeitung erfolgt sowie Beschwerden systematisch hinsichtlich ihres informatorischen Gehaltes ausgewertet werden. Dementsprechend liegen die wesentlichen Aufgaben des Beschwerdemanagements in den Bereichen Beschwerdestimulierung, Beschwerdeannahme, Beschwerdebearbeitung und -reaktion sowie in der Beschwerdeauswertung. Zusätzlich ist im Rahmen eines BeschwerdemanagementControllings der Zielerreichungsgrad der Aufgabenerfüllung zu überprüfen. Abbildung 5 gibt einen Überblick über die Einordnung der einzelnen Teilaufgaben in den gesamten Be- Abb. 5: Der Beschwerdemanagementprozeß im Überblick. (Stauss u. Seidel 1998 S. 66) 14 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen 2 z 44 04 Hilfe Treffer Mai 2000 schwerdemanagementprozeß. Beschwerdestimulierung, Beschwerdeannahme sowie Beschwerdebearbeitung und -reaktion fallen dabei in den direkten, Beschwerdeauswertung und Beschwerdemanagement-Controlling in den indirekten Beschwerdemanagementprozeß. Direkt bedeutet, daß der Kunde in die Ausführung dieser Teilaufgaben unmittelbar eingebunden ist, während die Aufgaben des indirekten Prozesses ohne Kundenkontakt durchgeführt werden können. Beschwerdestimulierung Aufgrund der Überlegungen zum Beschwerdeverhalten ist zu erwarten, daß in Krankenhäusern mit reduzierten sowie inhaltlich stark selektierten Beschwerdeinformationen zu rechnen ist. Zugleich zeigen sie, daß geringe Beschwerderaten keinesfalls als Indikatoren der Kundenzufriedenheit interpretiert werden dürfen. Daher gilt es, möglichst viele der unzufriedenen Kunden zu aktivieren und alle Möglichkeiten zur Stimulierung von Beschwerden zu nutzen. Nur wenn es gelingt, die schweigende Mehrheit unzufriedener Patienten zum Reden zu bringen, hat man eine Chance, sie dauerhaft zufriedenzustellen. Patienten sind auf verschiedene Art und Weise und mit unterschiedlichen Medien darüber zu informieren, daß ihr kritischer Kommentar wirklich erwünscht ist. Zudem muß ihnen ein leicht zugänglicher Kommunikationskanal gewiesen werden. Das wird in der Regel die persönliche Ansprache der betreuenden Pfleger, Schwestern und Ärzte sein. Darüber bestehen eine Fülle zusätzlicher Möglichkeiten für eine erleichterte Abgabe kritischer Kommentare. So haben etwa britische Krankenhäuser in allen Abteilungen „Feedback-Kästen“ für vorgedruckte Kommentarkarten angebracht und auch in ihren Informati15 Die schweigende Mehrheit zum Reden bringen Kritik ist erwünscht 2 z 44 04 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen Treffer Hilfe onsbroschüren diese Kommentarkarten integriert (Miller 1995 S. 29). Eine andere Möglichkeit ist die Installierung einer telefonischen Hotline zu einer organisatorischen Einheit, die sich als innerbetrieblicher Anwalt der Patienten versteht. Auf diese Weise werden Beschwerdeartikulationen auch gegenüber den Personen erleichtert, die das Problem verursacht haben und von denen sich der Patient abhängig weiß. Beispiel aus den USA. Im Columbus Hospital, Chicago, tragen Mitarbeiter Buttons mit Aufforderungen zur telefonischen Beschwerde („Wenn das Essen kalt ist, rufen Sie an!“, „Wenn Sie unfreundlich behandelt wurden, rufen Sie an!“, „Wenn Sie warten mußten, rufen Sie an!“). In der dazugehörigen Information für die Patienten heißt es weiter: „We’ll solve the problem and try to make up for your inconvenience with some extra-special treatment. And if you‘re still not satisfied, you won’t be charged for that service“ (Peterson 1988 S. 151). Auch andere amerikanische Krankenhäuser haben 24-Stunden-Hotlines eingerichtet und versprechen – wie z. B. das Good Samaritan Hospital in Cincinnati – eine Problemlösung innerhalb von 30 Minuten sowie Rechnungsabschläge bei Nichtleistung (Teschke 1990 S. 104). Patienten direkt fragen Für die nachträgliche Beschwerde eines Patienten oder die Artikulation durch Angehörige kann auch eine elektronische Meinungskarte mit Feldern für offene Kommentare, Fragen, Anregungen und Kritik dienen (s. Beispiel in Abb. 6). Vor solchen Lösungen, die alle eine gute organisatorische Vorbereitung und vor allem bereits eine Kultur voraussetzen, in der ein konstruktiver Umgang mit Kunden16 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen 2 z 44 04 Hilfe Treffer Mai 2000 Abb. 6: Beispiel für Beschwerdeseite im Internet. (http://blackwidow.informatics.sunysb.edu/patient/ patform.cfm – übersetzt vom Verfasser) kritik selbstverständlich ist, sind allerdings naheliegende Vorstufen zu praktizieren. Dazu gehört es, den Patienten direkt nach wahrgenommenen Problemen und Verbesserungsvorschlägen zu fragen, wann immer sich dazu eine Gelegenheit bietet. Beschwerdeannahme Wenn sich Patienten oder ihre Angehörigen beschweren wollen, dann müssen im Rahmen der Beschwerdeannahme zwei Aufgabenbereiche professionell gelöst werden: z Zum einen müssen alle Mitarbeiter, die Beschwerden im Erstkontakt mit dem unzufriedenen Kunden entgegennehmen, auf diese Situation richtig reagieren. z Zum anderen gilt es, alle relevanten Informationen über die Kundenunzufriedenheit hinsichtlich einer schnellen und unkomplizierten Bearbeitung des Beschwerdefalles und einer effektiven Weiterverarbeitung dieser Informationen zu erfassen. 17 2 z 44 04 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Ausbilden und Trainieren Belohnen Entscheidungsfreiheit lassen Suchen Treffer Hilfe Erstkontakt mit dem unzufriedenen Kunden In den meisten Fällen wenden sich Kunden mündlich und direkt an Mitarbeiter und Ärzte, mit denen sie in Kontakt kommen. Damit haben diese die große Chance, durch die Art ihrer Reaktion Unzufriedenheit unmittelbar abzubauen und eine befriedigende Lösung einzuleiten. Diese Chance wird allerdings häufig nicht genutzt: Patienten werden abgewiesen, vertröstet und nicht ernst genommen, so daß die Verärgerung noch gesteigert wird. Um dies zu vermeiden, sind klare Verhaltensrichtlinien für den Umgang mit dem unzufriedenen Kunden zu erstellen. Zudem bedarf es für die Mitarbeiter einer Ausbildung, die vor allem eine detaillierte Information über alle Elemente des direkten und indirekten Beschwerdemanagements sowie Trainings im richtigen Umgang mit dem unzufriedenen Kunden beinhaltet. Dabei sind Verhaltensweisen einzuüben, die die Situation entschärfen und die Atmosphäre als Voraussetzung für eine ruhige Klärung des Sachverhaltes entspannen. Auch muß das gewünschte Verhalten mittels Anreizmechanismen gefördert werden. Dazu gehört die Belohnung von kundenorientiertem Verhalten, die Auszeichnung von Mitarbeitern, denen es gelungen ist, unzufriedene Patienten und Angehörige wieder zufriedenzustellen, und die Beseitigung kontraproduktiver Anreizstrukturen und Rahmenbedingungen. Das Personal muß nicht nur psychologische Fähigkeiten besitzen, sondern auch Kompetenzen zur kundenorientierten Reaktion. So richtig es ist, sich mehr auf Fehlervermeidung als auf Korrekturprozesse zu konzentrieren, so problematisch ist es, wenn man versucht, sämtliche Verhaltensweisen zu fixieren. Das hat zur Folge, daß die Mitarbeiter keine Möglichkeit zu eigenständigen 18 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen Hilfe Treffer Entscheidungen und individuellen Anpassungen haben. Detaillierte Anweisungen produzieren gerade dort ein Verhalten „nach Vorschrift“, wo flexibles Verhalten „nach Kunde“ erforderlich wäre. Mai 2000 2 z 44 04 Beispiel aus den USA. Die Verlagerung von Entscheidungsrechten und die Übertragung autonomer Handlungsspielräume auf Kundenkontaktmitarbeiter wird in den letzten Jahren unter dem Stichwort „Empowerment“ diskutiert. Eindrucksvoll wird dieses Konzept von der Hotelkette „The Ritz-Carlton Hotel Company“ verwirklicht, die 1992 den angesehenen amerikanischen Total-Quality-Management-Preis, den Malcolm Baldrige National Quality Award, gewann. Grundlage ist das Prinzip des „Beschwerdeeigentums“. Ein Mitarbeiter, der mit einem Kundenproblem konfrontiert wird, ist nun „Eigentümer“ des Problems und für eine schnelle und vollständige Lösung verantwortlich. Er hat alles zu tun, um das Gästeproblem zu lösen und aus dem unzufriedenen Kunden wieder einen begeisterten Kunden zu machen. Dabei hat er erhebliche Entscheidungskompetenzen. So darf jeder Mitarbeiter im Problemfall bis zu 2000 $ aufwenden, um einen sich beschwerenden Gast wieder zufriedenzustellen (Ritz-Carlton 1994 S. 380). Krankenhausmanager sollten prüfen, in welcher Modifikation und in welchen Grenzen ähnliche Überlegungen auch in ihrem Haus erprobt werden können. Erfassung der Beschwerdeinformationen Im Rahmen der Beschwerdeerfassung geht es darum, das vom Kunden vorgebrachte Problem schnell, systematisch, vollständig und nach einem einheitlichen Verfahren aufzunehmen. Dabei sind Entscheidungen 19 2 z 44 04 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen Treffer Hilfe z über die Erfassungsinhalte, z über die Erfassungsform, zu fällen. Wichtigste Erfassungsinhalte stellen die Beschwerdeinhalts-Informationen dar, die sich auf die Beschwerdegeschichte des Kunden beziehen. Sie geben Auskunft auf die Frage: „Welches Problem hat welcher Kunde bei welcher Leistung erlebt?“ Demnach lassen sich die Beschwerdedaten grob in Informationen über das Beschwerdeproblem (Art, Umstände des Beschwerdevorfalls), den Beschwerdeführer (Patient, Angehöriger) und das Beschwerdeobjekt (medizinische Leistung, Serviceleistung) unterscheiden. Darüber hinaus sind zu diesem Zeitpunkt oder später weitere fallbezogene Beschwerdebearbeitungs-Informationen aufzunehmen. Sie beziehen sich auf den innerorganisatorischen Umgang mit der Beschwerde und geben Auskunft auf die Frage: „Auf welche Weise wurde die Beschwerde angenommen, bearbeitet und gelöst?“ Dementsprechend sind hier Informationen über die Beschwerdeannahme (Zeitpunkt, Adressat, entgegennehmender Mitarbeiter), die Beschwerdebearbeitung (Verantwortliche, Prozeß) und die Beschwerdelösung (abschließende Reaktion) zu erfassen. Damit diese Informationen von den Mitarbeitern vollständig, schnell und strukturiert aufgenommen werden können, bedarf es standardisierter Erfassungshilfen wie Formblätter oder Eingabemasken PC-gestützter Beschwerdemanagement-Programme. Beschwerdebearbeitung und -reaktion Eingehende Beschwerden lösen interne Bearbeitungsprozesse aus. Allerdings verfügen viele Krankenhäuser über 20 Aufgaben des Beschwerdemanagements Mai 2000 Inhalt Suchen 2 z 44 04 Hilfe Treffer zu wenig Kenntnisse darüber, wieviele Beschwerden an welchen Stellen und über welche Kanäle artikuliert werden und welche Probleme sie enthalten. Erst auf der Basis einer Ist-Analyse der derzeitigen Vorgehensweise lassen sich eindeutige Definitionen von Beschwerdeprozessen vornehmen, Bearbeitungstermine festlegen und Verantwortlichkeiten zuweisen. Die Geschwindigkeit, mit der Unternehmen auf eine Beschwerde reagieren, beeinflußt die Zufriedenheit des Kunden mit dem Beschwerdemanagementsystem stark. Deshalb bedarf es knapper zeitlicher Standards. Tucker und Kornberg (1994 S. 96) fordern beispielsweise, daß auf jede Beschwerde eines Patienten innerhalb von 24 Stunden eingegangen werden soll, z. B. durch einen telefonischen Kontakt oder zumindest eine Eingangsbestätigung mit der Zusicherung einer sorgfältigen Prüfung des Sachverhalts. Solche Termine können innerbetrieblich – auf der Basis von Computerlösungen – mit internen Mahn- und Eskalationssystemen verknüpft werden. Werden von einer bearbeitenden Stelle die vorgegebenen Bearbeitungstermine überschritten, wird sie in Verzug gesetzt und angemahnt (Mahnsystem). Bei weiteren Terminüberschreitungen wird ein Eskalationsprozeß ausgelöst, d. h. der Beschwerdefall wird an die nächsthöheren Instanzen bis hin zur Führungsspitze weitergeleitet, die sich dann um die Problemlösung und die Beseitigung von Ursachen für die Terminüberschreitungen zu kümmern haben. Ein wesentlicher Teil des Bearbeitungsprozesses stellt die Entscheidung über die Fallösung dar. Sofern es sich um eine medizinische Problematik handelt, ist eine gründliche Einzelfallprüfung erforderlich. In anderen Fällen sollten immaterielle Reaktionsformen (Entschuldi21 Knappe Zeitstandards Entscheidung über angemessene Lösung 2 z 44 04 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Eindeutige Verantwortungszuweisung Suchen Treffer Hilfe gung, Erklärung/Information), Nach- und Neuleistungen sowie finanzielle Kompensationen so eingesetzt werden, daß die angebotene Lösung vom Patienten als angemessen beurteilt wird und das Ziel einer hohen Beschwerdezufriedenheit erreicht werden kann. Dabei ist dem Kunden im gesamten Prozeß der Beschwerdeabwicklung der Eindruck zu vermitteln, daß man ihn respektiert und sich ernsthaft um eine angemessene Lösung bemüht. Um diese Wirkung zu erreichen und zugleich kostenintensive Prüfprozesse zu vermeiden, ist zudem zu kalkulieren, bis zu welchem Kompensationsbetrag auf eine ausführliche Einzelfallprüfung grundsätzlich verzichtet werden kann (Stauss u. Seidel 1998 S. 179). Eine patientenorientierte Beschwerdebearbeitung und -reaktion setzt eine eindeutige Zuweisung von Verantwortungen für den gesamten Beschwerdemanagementprozeß sowie für einzelne Fälle und Bearbeitungsstufen voraus. In diesem Zusammenhang geht es auch um die Konkretisierung der Rolle von Patientenfürsprechern, die als unabhängige und neutrale Instanz ein wesentliches Instrument zur Kanalisierung von Beschwerden sein können, aber in der Wirksamkeit ihrer Arbeit wesentlich auf die Akzeptanz bei den verschiedenen internen Interessengruppen angewiesen sind (Ravich u. Schmolka 1993; Hanel u. Friemelt 1997). Beispiel aus Neuseeland. Anstrengungen zur Verbesserung von Beschwerdebearbeitung und -reaktion werden um so erfolgreicher sein, je mehr sie integraler Bestandteil eines in sich stimmigen Gesamtsystem des Beschwerdemanagements sind, das auf konsistenten Handlungsprinzipien beruht. Die Beschwerdegrundsätze des Krankenhauses „Western Bay Health“ (Tauranga, Neuseeland), die in 22 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen 2 z 44 04 Hilfe Treffer Mai 2000 Abb. 7 auszugsweise wiedergegeben werden, belegen dies. Der Zeitstandard (Reaktion innerhalb von 2 Tagen) ist Teil einer Politik, die sowohl das grundsätzliche Verständnis („Beschwerden sind willkommen“), informationstechnologische Voraussetzungen („Aufnahme jeder Beschwerde in die Datenbank“), einen detaillierten Prozeß der Untersuchung des Beschwerdevorgangs („Investigation“) sowie die Rückmeldung an den Kunden („Feedback“) enthält. Beschwerdeauswertung Beschwerden enthalten eine Fülle wertvoller Informationen über Mängel in den Leistungen und in den Prozessen, über veränderte Kundenerwartungen und mögliche Innovationen. Deshalb gilt es, diese Informationen für die Qualitätsüberwachung zu nutzen und das Innovationspotential der vom Kunden kostenlos eingebrachten Informationen auszuwerten (Stauss u. Seidel 1998 S. 197 ff.). Abb. 7: Beispiel für Grundsätze des Beschwerdemanagements im Krankenhaus. (Western Bay Health Limited, Tauranga, New Zealand, übersetzt und gekürzt vom Verfasser) 23 2 z 44 04 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Beispiel zur Frequenz-RelevanzAnalyse von Beschwerden Suchen Treffer Hilfe Im Rahmen der quantitativen Beschwerdeauswertung sind zum einen Häufigkeitsverteilungen hinsichtlich der Verteilung des Beschwerdeaufkommens auf unterschiedliche Problemkategorien vorzunehmen. So wird auf einem Blick deutlich, welche Probleme von den Patienten zahlenmäßig am häufigsten wahrgenommen werden. Wenn man zudem noch für die jeweilige Beschwerde das Ausmaß der Verärgerung von Patienten erfaßt, läßt sich die Frequenz-Relevanz-Analyse von Beschwerden (FRAB) anwenden. Abbildung 8 zeigt die Vorgehensweise der FRAB im Überblick. In der ersten Spalte sind die Kategorien der von den Patienten in Beschwerden artikulierten Probleme aufgelistet. In die zweite Spalte ist eingetragen, mit welcher Häufigkeit die jeweiligen Kundenprobleme aufgetreten sind. Ist bei der Beschwerdeannahme bereits die wahrgenommene Dringlichkeit des Problems aus Patientensicht (z. B. auf einer Relevanzskala von 1 = „nicht so wichtig“ bis 5 „sehr wichtig“) erfaßt worden, kann in Abb. 8: Frequenz-Relevanz-Analyse von Beschwerden (FRAB). (Stauss u. Seidel 1998 S. 217) 24 Aufgaben des Beschwerdemanagements Mai 2000 Inhalt Suchen 2 z 44 04 Hilfe Treffer Spalte 3 der durchschnittliche Relevanzwert aufgenommen werden. Durch die Multiplikation der Werte in den Spalten 2 und 3 ergibt sich der Relevanzwert pro Problem (Spalte 4). In der 5. Spalte ist der jeweilige Problemwertindex angegeben, der zum Ausdruck bringt, zu wieviel Prozent die jeweilige Kategorie zur Gesamtproblematik beiträgt. Auf diese Weise läßt sich beispielsweise unmittelbar ablesen, daß das Patientenproblem „mangelnde Sauberkeit“ vordringlich behoben werden muß, da es zu 32,44 Prozent für die in Beschwerden zum Ausdruck kommenden Problematik verantwortlich ist. Die Ergebnisse der quantitativen Beschwerdeanalyse sind in einem zweiten Schritt einer qualitativen Analyse zu unterziehen, um die Probleme im Hinblick auf ihre Ursachen genau zu untersuchen und daraus Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten. Zu den hier einsetzbaren Instrumenten gehört die Ursache-Wirkungs-Analyse mit Hilfe des Ursache-Wirkungs-Diagramms. Es handelt sich hier um ein Verfahren, mit dem für jeweils ein klar definiertes Problem mögliche Einflußgrößen ermittelt werden. Diese Einflußgrößen sowie ihre Beziehungen untereinander werden im Ursache-Wirkungs-Diagramm in Form von Ursachenklassen strukturiert beschrieben, wobei das Ziel darin besteht, mit der Rückverfolgung von Wirkungsketten letztlich die Ursache(n) zu identifizieren, die tatsächlich für den Problemauftritt verantwortlich sind. Der Nutzen dieser Problemlösungstechnik besteht in der systematischen und anschaulichen Darstellung aller denkbaren Einflußgrößen eines Problems. Abbildung 9 zeigt ein solches Ursache-Wirkungs-Diagramm am Beispiel des Problems „Verärgerung bei der Aufnahme“, das auf der rechten Seite der Abbildung festgehalten wird. Mit der Identifikation von globalen Ursa25 Ursache-WirkungsDiagramm Beispiel: Verärgerung bei der Aufnahme 2 z 44 04 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen Treffer Hilfe Abb. 9: Analyse von Problemursachen mit Hilfe von Ursache-Wirkungs-Diagrammen („Ishikawa-Diagramm“). (Stauss u. Seidel 1998 S. 231) chendimensionen (Mitarbeiter, maschinelle Ausrüstung, Verwaltung, Patient), die als „Gräten“ eingezeichnet werden, erhält das Ursache-Wirkungs-Diagramm seine Struktur. In einem nächsten Schritt werden für jede Ursachendimension alle möglichen Detailursachen aufgezeigt und als Verzweigungen innerhalb der Gräten eingetragen. Die wesentlichsten Problemverursacher werden dann genau analysiert, was die Möglichkeit zur Entwicklung präventiver Lösungen bietet. Beschwerdemanagement-Controlling Um die Effektivität und Effizienz des Beschwerdemanagements bewerten zu können, bedarf es eines Beschwerdemanagement-Controllings, das man in die wesentlichen Teilbereiche z des Aufgaben-Controllings und z des Kosten-Nutzen-Controllings unterscheiden kann. 26 Aufgaben des Beschwerdemanagements Mai 2000 Inhalt Suchen 2 z 44 04 Hilfe Treffer Im Mittelpunkt des Aufgaben-Controllings steht die Formulierung von Leistungsindikatoren und -standards für die Aktivitäten im Rahmen der Einzelaufgaben des Beschwerdemanagements sowie deren kontinuierliche Überwachung. Zu diesem Zweck sind die wesentliche Qualitätsdimensionen der Aufgabenerfüllung zu identifizieren, aussagefähige Leistungsindikatoren zu finden und die angestrebten Zielwerte als Soll-Vorgaben festzulegen. Die damit bestimmten Leistungsstandards zur Überwachung der Aufgabenerfüllung können objektiver und subjektiver Art sein. Objektive Leistungsstandards sind unabhängig vom Urteil des beschwerenden Patienten. Subjektive Leistungsstandards beziehen sich auf die Zufriedenheit des Patienten mit dem Prozeß der Beschwerdeannahme, -bearbeitung und -reaktion durch das Krankenhaus. Abbildung 10 gibt einige Beispiele für mögliche objektive und subjektive Leistungsstandards. Beim Kosten-Nutzen-Controlling geht es darum, die Rentabilität von Aktivitäten des Beschwerdemanagements Abb. 10: Beispiele für objektive und subjektive Leistungsstandards. (In Anlehnung an Stauss u. Seidel 1998 S. 249 ff.) 27 2 z 44 04 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Bewertung des Nutzens – schwierig aber möglich Suchen Treffer Hilfe abzuschätzen. Das Kosten-Controlling umfaßt die Quantifizierung der Kosten, die bei der Annahme, Reaktion und Bearbeitung sowie Auswertung von Beschwerden entstehen. Im Rahmen des Nutzen-Controlling geht es um die Quantifizierung der unterschiedlichen Nutzendimensionen des Beschwerdemanagements (Informations-, Einstellungs-, Wiederkauf- und Kommunikationsnutzen) (Stauss u. Seidel 1998 S. 279 ff.). Während die Ermittlung der vom Beschwerdemanagement verursachten Personal-, Verwaltungs-, Kommunikations- und Reaktionskosten relativ einfach ist, macht die Quantifizierung der verschiedenen Nutzenkategorien erhebliche, wenn auch nicht unüberwindbare Schwierigkeiten. Hinsichtlich des Wiederkaufnutzens wird beispielsweise grundsätzlich zu kalkulieren versucht, wie hoch der Marktschaden (im Sinne entgangener Umsätze und Gewinne) aufgrund von Abwanderungen und negativer Mundkommunikation unzufriedener Kunden ist. Der Nutzen des Beschwerdemanagements wird dann danach berechnet, inwieweit es gelingt, die potentiell verlorenen Umsätze und Gewinne zu erhalten. Geht man auf diese Weise vor und erfaßt zusätzlich die weiteren Nutzenkategorien, stellt sich meist heraus, daß der Nutzen von Beschwerdemanagementsystemen deren Kosten bei weitem übersteigt. 28 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen Hilfe Treffer z zusammenfassung Mai 2000 2 z 44 04 Wenn Krankenhäuser die Maxime der Kundenorientierung akzeptieren, dann müssen sie in Patientenbeschwerden nicht nur ein Problem, sondern eine Chance sehen, die professionell genutzt werden muß. Dies gilt um so mehr, als die Ergebnisse einer Vielzahl empirischer Studien einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Beschwerdezufriedenheit auf der einen Seite und positiven Wirkungen auf Einstellungen und Verhalten von Kunden auf der anderen Seite belegen. Allerdings verlangt dies umfangreiche und systematische Anstrengungen, um eine sachgerechte Erfüllung der einzelnen Aufgabenbestandteile eines Beschwerdemanagements (Beschwerdestimulierung, Beschwerdeannahme, Beschwerdebearbeitung und -reaktion, Beschwerdeauswertung, BeschwerdemanagementControlling) sicherzustellen. Zudem wird es nur gelingen, diesen Managementansatz konsequent einzuführen, wenn Ärzte und Mitarbeiter durch eine entsprechende Unternehmenskultur glaubhaft erleben, daß es nicht darum geht, individuelle Schuldige zu finden und zu verfolgen (Seelos u. Adamson 1994), sondern einen Verbesserungsprozeß zu initiieren und aufrechtzuerhalten, der sich am Interesse der Patienten orientiert, aber auch dem Krankenhaus und den in ihm Tätigen zugute kommt. 29 2 z 44 04 Aufgaben des Beschwerdemanagements Inhalt Suchen Treffer Hilfe Literatur Bruhn M (1982) Konsumentenzufriedenheit und Beschwerden. Frankfurt Bern Hanel E (1997) Einführung. 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