Erscheinungsort: Wien; Verlagspostamt: A-8600 Bruck/Mur Jahrgang 16, Ausgabe 3/12 In den vergangenen Jahrzehnten wurden weltweit nicht-forensische Autopsien zunehmend seltener durchgeführt (De Vlieger GY; Crit Care 2010; 14:221). Als Gründe dieser Tendenz werden die Kosten einer Obduktion (Esteban A; Intensive Care Med 1999; 25:343), deutlich abnehmende Anforderungen einer Autopsie durch die behandelnden Ärzte (EC; Am J Med 2004; 117:255), Ablehnung durch die Angehörigen (Combes A; Arch Intern Med 2004; 164:389), aber auch ein reduziertes Interesse von Pathologen an der Sektion (Chariot P; Arch Pathol Lab Med 2000; 124:739) und Angst der behandelnden Ärzte vor Aufdeckung eines Behandlungsfehlers durch unerwartete Obduktionsergebnisse mit rechtlichen Konsequenzen (Combes A; Arch Intern Med 2004; 164:389) angeführt. Unabhängig von dieser Tendenz bleibt die Autopsie verstorbener Intensivpatienten ein nicht nur für den Kliniker außerordentlich wichtiges Instrument: Die ge- INHALT ISSN 1682-6833 Die virtuelle Autopsie: Eine Alternative zur Obduktion? A B Abb.: A) Dreidimensionale Oberflächenkonstruktion mit Volume Rendering Software. Der zentralvenöse Katheter (Asterisk) und der Shaldon-Katheter (Pfeilkopf) wurden während einer Reanimation angelegt. B) Extraktion der Weichteile, die Katheter werden in Blau dargestellt. Ein kleiner Anteil des unteren Kiefers wurde ebenfalls digital entfernt, um die Fehllage des rechten zentralvenösen Katheters (Pfeil) darzustellen. Der Shaldon-Katheter liegt korrekt. (modifiziert nach Wichmann D, Ann Intern Med 2012; 156:123-30) wonnenen Informationen tragen wesentlich zum pathophysiologischen Verständnis bei. Dieses Feedback unterstützt die kontinuierliche Ausbildung der Intensivmediziner und sollte auch als eine qua- litätssichernde Maßnahme verstanden werden. Im intensivmedizinischen Setting durchgeführte Autopsiestudien weisen auf klinisch relevante Diskrepanzen zwischen Diagnose und Autopsiebefunden Reicht eine Zottenernährung? • Das Mitochondrion bei Sepsis Lagerung von Intensivpatienten • Kardiogener Schock und Inflammation Welt-Sepsis-Tag 2012 • Kongresse • Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege www.intensivmedizin.at | www.dgiin.de | www.sepsis-gesellschaft.de | Archiv: www.medicom.cc os nl st e ko Intensiv-News e-p@per online und kostenlos Lesen Sie wann immer und wo immer Sie- Nr 1/2011 wollen INDEX SEARCH Medical Emergency Team Bestehen bei einem Patienten dringliche, nicht gelöste Probleme und befindet er sich deshalb in unmittelbarer Gefahr, erfasst der afferente Schenkel das Ereignis und triggert eine systematische Antwort. Die ausgelösten Aktionen stellen als Bestandteil des efferenten Schenkels die Stabilisierung des Patienten sicher und sorgen füreine Verlegung des Patienten – so nötig – in einen Behandlungsbereich, der den Bedürfnissen des Patienten entspricht (z. B. Intermediate Care Unit oder Intensivstation). Daten jedes Ereignisses werden systematisch erfasst und gesammelt und anschließend ausgewertet, um zukünftige Probleme zu verhindern bzw. darauf adäquat vorbereitet zu sein. Dabei stehen die Häufigkeit der kritischen Ereignisse, die benötigten Ressourcenund das Behandlungsergebnis im Mittelpunkt des Interesses. Die administrative und/oder ärztliche Leitungüberblickt und steuert alle Komponenten des afferenten und efferenten Schenkels und sorgt für ausreichendeRessourcen. MET = Medical emergency team; RRT = Rapid response team; CCO = Critical care outreach Autoren: Prof. Dr. med. Uwe Janssens, Medizinische Klinik St.-Antonius-Hospital Eschweiler, uwe.janssens@sah-eschweiler.de PD Dr. med. Jürgen Graf, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie Philipps-Universität Marburg 6 Nr. 1, 2009 Schnellere Verfügbarkeit von Informationen GO TO PAGE: Zugriff auf 10.000 Artikel im Archiv Lesezeichen für den schnellen Zugriff auf Artikel © Vikto V t r Gm Gmyria - Fotolia Integrierte Videos und Animationen COVERBILD: Sie erhalten das e-p@per für jede neue Ausgabe der „Intensiv-News“ kostenlos als Link zu unserer Homepage mit Ihrem persönlichen Newsletter. + auch für iPad www.medicom.cc online & kostenlos Virtuelle Autopsie Virtual autopsy as an alternative to traditional medical autopsy in the intensive care unit: A prospective cohort study. Wichmann D, Obbelode F, Vogel H, et al. Ann Intern Med 2012; 156:123-30 University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Germany. BACKGROUND: Autopsy is an important educational and qualitycontrol tool in the intensive care unit (ICU), but rates of traditional medical autopsies have declined worldwide. "Virtual" autopsy involving only advanced radiographic techniques might provide an alternative approach to postmortem examinations. OBJECTIVE: To assess the value of postmortem multidetector computed tomography as an alternative to medical autopsy. DESIGN: Prospective cohort study. (ClinicalTrials.gov registration number: NCT01040520) SETTING: 9 ICUs in a single academic medical center. Consent for both medical and virtual autopsies was sought from the families of all consecutive patients who died in the ICU between 1 January and 30 June 2010. Clinical records were reviewed to determine whether unsuspected autopsy findings would have altered care if known (major diagnosis) or would not have altered care (minor diagnosis). RESULTS: Of 285 patients, 47 underwent both virtual and med- trotz einer verbesserter Diagnostik in 3 bis 16% der Fälle hin (De Vlieger GY; Crit Care 2010; 14:221). Kliniker können nur mit unzureichender Sicherheit diejenigen Todesfälle identifizieren, bei denen eine Autopsie zu überraschenden neuen Erkenntnissen führt. Vor diesem Hintergrund stellt der Einsatz moderner bildgebender Verfahren wie der Multidetektor-Computertomografie (MDCT) oder der Magnetresonanztomographie (MRT) inklusive einer dreidimensionalen Rekonstruktion als postmortale virtuelle Autopsie eine mögliche Alternative zur Obduktion dar. Die Autoren einer großen universitären, multidisziplinären Klinik für Intensivmedizin aus Hamburg untersuchten in einer prospektiven Studie den Stellenwert einer virtuellen Autopsie mittels MDCT im Vergleich zur Ob- ical autopsy. Of 196 clinical diagnoses made before death, 173 (88%) were identified by virtual autopsy and 183 (93%) by medical autopsy. Fourteen new major and 88 new minor diagnoses were detected by any autopsy method. The main diagnoses missed by virtual autopsy were cardiovascular events (9 of 72) and cancer (12 of 30). In contrast, medical autopsy missed 13 traumatic fractures and 2 pneumothoraces. Among 115 additional patients in whom only virtual autopsy was performed, 11 new major diagnoses were made. LIMITATION: Virtual autopsy was performed in only 57% of patients (n = 162); among this group, consent for traditional medical autopsy was obtained for only one third. CONCLUSION: Virtual autopsy may be useful for identifying diagnoses that traditionally have been identified by medical autopsy. This may also hold true, at least in part, for the educational aspect of medical autopsy (confirming antemortem clinical diagnoses). Further studies are required to confirm these preliminary results. duktion bei verstorbenen Intensivpatienten über einen Zeitraum von sechs Monaten (Wichmann W; Ann Intern Med 2012; 156:123). Neue Diagnosen als Ergebnis der MDCT oder einer Obduktion wurden entsprechend der Klassifikation von Goldman (Goldman L; N Engl J Med 1983; 308:1000) und Dimopoulos (Dimopoulos D; Intensive Care Med 2004; 30:2080) eingeteilt. Als relevante („major“) durch die Autopsie entdeckte Diagnosen gelten solche, die bei Kenntnis ante mortem zu einer Veränderung der Therapie, zu einem klinischen Benefit für den Patienten geführt oder substantiell die Prognose beeinflusst hätten. Unbedeutende („minor“) Diagnosen sind solche, die zwar mit der finalen Erkrankung im Zusammenhang stehen, aber nicht substantiell zum Tod des Patienten beigetragen hätten. Auf Nr. 3, 2, 2012 neun Intensivstationen mit insgesamt 109 Betten verstarben im Beobachtungszeitraum 285 Patienten. In 47 Fällen erteilten die Angehörigen die Einwilligung sowohl für die virtuelle als auch klassische Autopsie, bei weiteren 115 verstorbenen Patienten erfolgte die Einwilligung nur für eine virtuelle Autopsie. Die virtuellen Autopsien wurden im Institut für Rechtsmedizin mit einem Mehrschichtcomputertomographen MX 8000 Quad 4 (Philips Healthcare) durchgeführt. Kopf, Hals, Brust und Abdomen wurden mit dem MDCT untersucht und von einem erfahrenen Radiologen in Kenntnis der klinischen Diagnosen und Todesursache befundet. Die Ergebnisse der nachfolgenden klassischen Autopsie waren dem Radiologen nicht bekannt. Assistenten des Instituts für Rechtsmedizin sowie Virtuelle Autopsie Tabelle: Neue relevante Diagnosen, die im Rahmen einer virtuellen und klassischen Autopsie gestellt wurden. M = Mann; F = Frau, ZVK = zentraler Venenkatheter; BC = Bronchialkarzinom Pathologie führten die klassische Autopsie unter Supervision durch einen erfahrenen Pathologen durch. Klinische Diagnosen und Todesursachen waren bekannt, nicht jedoch das Ergebnis der virtuellen Autopsie. Bei den 47 Patienten, bei denen sowohl eine virtuelle als auch klassische Autopsie durchgeführt wurde, konnten 298 Diagnosen durch die Zusammenführung der klinischen Befunde ante mortem und der Autopsieergebnisse gestellt werden. 196 Diagnosen wurden vor dem Tod gestellt. Die virtuelle Autopsie bestätigte 173 (88%) der klinischen Diagnosen, es fanden sich weitere 10 relevante und 53 unbedeutende Diagnosen. Die klassische Obduktion zeigte in 183 (93%) der Fälle eine Übereinstimmung mit der klinischen Diagnose, es wurden weitere 14 relevante und 61 unbedeutende Diagnosen gefunden (Tabelle). Insgesamt wurden mit beiden Verfahren 4,7% relevante neue Diagnosen und 29,8% unbedeutende zusätzliche Diagnosen gestellt. Die virtuelle Autopsie konnte in 62 Fällen (20,8%) im Vergleich zur klini- schen Einschätzung bzw. klassischen Autopsie die Diagnose nicht stellen. Hauptsächlich wurden hierbei folgende Diagnosen übersehen: Myokardinfarkt (n = 4), Karzinom (n = 12), Lungenembolie (n = 3) und tiefe Beinvenenthrombose (n = 9). Die klassische Autopsie verpasste in 40 Fällen (13,4%) eine relevante Diagnose, wobei es sich in der Regel um traumatische Frakturen handelte. Bei 115 virtuellen Autopsien (Angehörige hatten die Zustimmung zur klassischen Autopsie abgelehnt) wurden 11 relevante und 36 unbedeutende Diagnosen zusätzlich gestellt. Bei allen 162 Patienten, bei denen eine virtuelle Autopsie durchgeführt wurde, konnten in 6 Fällen (4%) Komplikationen erfasst werden, die durch invasive Prozeduren verursacht wurden (Abb.). Man kann den Autoren zur konsequenten und exzellenten Durchführung dieser Studie gratulieren, hier wird eine „neue“ bildgebende Methode erstmalig auf das spezielle Kollektiv von Intensivpatienten angewendet. Neben den beeindruckenden Darstellungen muss auf die Vor-, aber auch Nr. 3, 2, 2012 Nachteile hingewiesen werden. Sicherlich verfügt die MDCT gerade bei Traumapatienten über einen eindeutigen Vorteil. Hier können freie Luft, Fremdkörper (Frakturen, Katheter, Drainagen aber auch Projektile) zuverlässig erfasst werden. Zwei Drittel der Frakturen wurden durch die klassische Autopsie übersehen, durch die virtuelle Autopsie jedoch dargestellt. Auch die Fehllage von Kathetern und anderen Objekten ist sicher nachweisbar. Die Akzeptanz der Angehörigen verstorbener Patienten ist nachweislich höher. Durch diese Technik ließe sich der Anteil postmortaler Untersuchungen sicherlich steigern. Die Autoren und auch das begleitende Editorial (Burton EC; Ann Intern Med 2012; 156:158) verweisen aber auch auf mögliche Nachteile der postmortalen Schnittbildgebung. Myokardinfarkte, die koronare Herzkrankheit, aber auch Neoplasien werden durch die MDCT, aber auch die MRT nur unzureichend nachgewiesen. Lungenembolien, die klinisch ante mortem häufig nicht diagnostiziert werden, sind methodenbedingt auf Grund des fehlenden Blut- Virtuelle Autopsie flusses nicht sicher abzubilden. Durch postmortale Angiographien mit Luft oder hochviskösem Kontrastmittel könnten vaskuläre Obstruktionen möglicherweise besser dargestellt werden ( Jackowski C; J Forensic Sci 2004; 49:1339, Jackowski C; J Forensic Sci 2008; 53:465). Durch zusätzlich CT-gesteuerte Biopsien kann die Aussagekraft der MDCT weiter erhöht werden. Auch wenn die Kosten einer virtuellen Autopsie in einer Studie deutlich unter den Kosten einer konventionellen Autopsie lagen (Weustink AC; Radiology 2009; 250:897), bleibt dieser wichtige Punkt derzeit unklar. Um die Akzeptanz und Verbreitung der Methode zu verbessern, sind ökonomische, auf unser Gesundheitssystem bezogene Berechnungen unerlässlich. Unzweifelhaft ist die postmortale Bildgebung in der forensischen Medizin von zusätzlichem Nutzen. Doch ist sie zum jetzigen Zeitpunkt als Alternative zur klassischen Autopsie verlässlich zu empfehlen? Dies sicherlich nicht. Die speziellen Gegebenheiten an einer großen Universitätsklinik sind nicht auf das breite klinische Umfeld bundesweit zu übertragen. Welches Haus verfügt über die apparativen Kapazitäten zur Durchführung einer postmortalen Bildgebung? Auch der Hinweis der Autoren auf die mögliche teleradiologische Begutachtung von postmortalen CT-Untersuchungen durch externe Befunder kann die derzeit fehlenden strukturellen Voraussetzungen nicht kompensieren, könnte aber zukünftig von Bedeutung sein. Unabhängig von der fehlenden Finanzierung solcher Untersuchungen stellt sich auch die Frage nach der Ausbildung radiologischer Kollegen in der Analyse postmortaler CToder MRT-Untersuchungen. Hierfür ist eine spezielle Expertise unerlässlich, die derzeit (noch) nicht vorhanden ist. Somit erscheinen prospektive Untersuchungen, die den Stellenwert der virtuellen Autopsie weiter ausleuchten und untermauern unerlässlich, um im Weiteren die Argumente für eine flächendeckende Versorgung mit diesen Methoden zu liefern. „Was hilft alle Erkenntnis, wenn die Kraft fehlt?“ Theodor Storm, (1817 - 1888), eigentlich Hans Theodor Woldsen, deutscher Jurist, Dichter und Novellist Interessenskonflikte: Keine Prof. Dr. Uwe Janssens Medizinische Klinik St.-Antonius-Hospital, Eschweiler uwe.janssens@sah-eschweiler.de Nr. 3, 2, 2012 Reicht eine Zottenernährung? „Jenseits von EDEN“: Was bedeutet „volle“ enterale Ernährung? Initial trophic vs full enteral feeding in patients with acute lung injury: The EDEN randomized trial. National Heart, Lung, and Blood Institute Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) Clinical Trials Network, Rice TW, Wheeler AP, et al. JAMA 2012; 307:795-803 CONTEXT: The amount of enteral nutrition patients with acute lung injury need is unknown. OBJECTIVE: To determine if initial lower-volume trophic enteral feeding would increase ventilator-free days and decrease gastrointestinal intolerances compared with initial full enteral feeding. DESIGN, SETTING AND PARTICIPANTS: The EDEN study, a randomized, open-label, multicenter trial conducted from January 2, 2008, through April 12, 2011. Participants were 1000 adults within 48 hours of developing acute lung injury requiring mechanical ventilation whose physicians intended to start enteral nutrition at 44 hospitals in the National Heart, Lung, and Blood Institute ARDS Clinical Trials Network. INTERVENTIONS: Participants were randomized to receive either trophic or full enteral feeding for the first 6 days. After day 6, the care of all patients who were still receiving mechanical ventilation was managed according to the full feeding protocol. MAIN OUTCOME MEASURES: Ventilator-free days to study day 28. RESULTS: Baseline characteristics were similar between the trophic-feeding (n = 508) and full-feeding (n = 492) groups. The fullfeeding group received more enteral calories for the first 6 days, Die ideale Zufuhrrate einer enteralen Sondenkost in der frühen Behandlungsphase von Intensivpatienten ist schwierig zu bestimmen und bleibt ein kontrovers geführtes Thema. Nach Rice TW und Mitarbeitern ist eine komplette enterale Ernährung bei Intensivpatienten mit negativen Effekten verbunden und einer der Hauptfaktoren für die pulmonale Aspiration sowie der führende Grund für die Entwicklung einer nosokomialen Pneumonie auf der Intensivstation (Rice TW; Crit about 1300 kcal/d compared with 400 kcal/d (P < .001). Initial trophic feeding did not increase the number of ventilator-free days (14.9 [95% CI, 13.9 to 15.8] vs 15.0 [95% CI, 14.1 to 15.9]; difference, -0.1 [95% CI, -1.4 to 1.2]; P = .89) or reduce 60-day mortality (23.2% [95% CI, 19.6% to 26.9%] vs 22.2% [95% CI, 18.5% to 25.8%]; difference, 1.0% [95% CI, -4.1% to 6.3%]; P = .77) compared with full feeding. There were no differences in infectious complications between the groups. Despite receiving more prokinetic agents, the full-feeding group experienced more vomiting (2.2% vs 1.7% of patient feeding days; P = .05), elevated gastric residual volumes (4.9% vs 2.2% of feeding days; P < .001), and constipation (3.1% vs 2.1% of feeding days; P = .003). Mean plasma glucose values and average hourly insulin administration were both higher in the full-feeding group over the first 6 days. CONCLUSION: In patients with acute lung injury, compared with full enteral feeding, a strategy of initial trophic enteral feeding for up to 6 days did not improve ventilator-free days, 60-day mortality, or infectious complications but was associated with less gastrointestinal intolerance. Care Med 2011; 39:967). Anderseits führt eine nicht ausreichende Substratzufuhr bei Intensivpatienten über einen längeren Zeitraum zur Entwicklung einer Mangelernährung, welche ihrerseits auch mit einem schlechteren Outcome assoziiert ist (Villet S; Clin Nutr 2005; 24:502). Schon eine geringe enterale Kalorienzufuhr im Sinne einer sog. „Zotten-Ernährung“, einer trophischen Ernährung oder auch trickle-feed (10-20 ml/h) kann mit positiven Aspekten für die DarmNr. 3, 2, 2012 integrität und das Immunsystem einhergehen. Rice und Mitarbeiter führten eine multizentrische Untersuchung bei ARDSPatienten mit der Hypothese durch, dass eine initiale Zottenernährung, verglichen mit einer vollen enteralen Ernährung, die Anzahl der beatmungsfreien Tage auf der Intensivstation bis zum Tag 28 erhöhen würde, indem sie die Häufigkeit von gastrointestinalen Unverträglichkeiten vermindern würde. Reicht eine Zottenernährung? Diese EDEN-Studie war ein Teil der 2x2 faktoriellen durchgeführten OMEGA- und EDEN-Studie. Von 2008 bis 2011 wurden in 44 Zentren des National Heart, Lung, and Blood Institute ARDS Clinical Trials Network insgesamt ca. 8000 Patienten für einen Einschluss in die Studie evaluiert. 1000 Patienten mit akutem respiratorischem Versagen wurden innerhalb von 48-72 h ohne Verblindung randomisiert, um entweder eine enterale Zotten-Ernährung (10-20 ml/h) oder nach einem festgelegten Ernährungsprotokoll möglichst rasch eine volle enterale Ernährung zu erhalten. Bei niedrigen gastralen Residualvolumina (GRV <400mL) wurde alle 6 Stunden die Zufuhr der Sondenkost um 25 ml/h erhöht, um die nach dem idealen Körpergewicht berechnete Zielzufuhr mit 25-30 kcal/kg KG Energie (non-protein-calories) und 1,2-1,6 g/kg KG Protein zu erhalten. Nach 6 Tagen wurde die Therapie in beiden Gruppen identisch weitergeführt. Daneben wurde bei den ersten 272 Patienten nach dem OMEGA-Protokoll eine Randomisierung zu einem oralen Supplement, das mit ω-3-Fettsäuren, gamma-Linolensäure und Antioxidantien angereichert ist, bzw. einer Kontrollgruppe durchgeführt (siehe Mayer K; IntensivNews Heft 2/2012). Bei gleichen Charakteristika zwischen den beiden Studiengruppen zu Beginn gab es keine signifikanten Unterschiede in den primären und sekundären Endpunkten der Studie. Am Ende der 6-tägigen Untersuchungsperiode waren über 50% der Patienten extubiert. Beide Gruppen wiesen im Median 15 beatmungsfreie Tage und eine 60-TageSterblichkeit von 22 bzw. 23% auf. Patienten in der Gruppe der ZottenErnährung erhielten ca. 400 kcal/d im Vergleich zur „voll“ enteral ernährten Gruppe, denen ca. 1300 kcal/d zugeführt wurde. In der letztgenannten Gruppe war der Ernährungsaufbau bei 90% der Patienten innerhalb von 1,3 Arrabi Rice Caesar Kontrollgruppe Studiengruppe Heidegger Singer Goal 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 Abb.: Energiezufuhr in Studien mit unterschiedlichen Ernährungsregimen. Ernährungsziel = Goal (modifiziert nach Singer P; Akt Ernährungsmed 2012; 37:31) Tagen möglich. Einige Parameter einer gastrointestinalen Intoleranz waren allerdings häufiger in der „voll“ enteral ernährten Gruppe. Die Autoren schließen, dass eine initiale enterale Zotten-Ernährung, verglichen mit einer vollen enteralen Ernährung bei beatmeten Intensivpatienten mit akutem respiratorischem Versagen in den ersten 6 Tagen nicht zu mehr beatmungsfreien Tagen oder zu einer geringeren Sterblichkeit führt, aber mit einer geringeren Rate an gastrointestinalen Nebenwirkungen verbunden ist. Wie sind nun die Ergebnisse dieser Studie zu bewerten? Es ist den Autoren hoch anzurechnen, dass sie sich mit den kombinierten EDEN/OMEGA-Studien bei der hohen Anzahl von 1000 untersuchten Patienten mit akutem respiratorischem Versagen mit sehr relevanten klinischen Fragestellungen der Ernährungstherapie beschäftigten und damit den Wert der Ernährungstherapie von Intensivpatienten in den Vordergrund der wissenschaftlichen Betrachtung rücken. Trotzdem gibt es etliche Details in der Studie, die kritisch diskutiert werden müssen: Der größte Kritikpunkt an diesen Studien ist darin zu sehen, dass die Autoren nach ihren Aussagen eine volle enterale Ernährung mit einer Zotten-ErNr. 3, 2, 2012 nährung oder trophischen Ernährung verglichen. Dies war jedoch de facto nicht der Fall. Wie die Ergebnisse in der Energiezufuhr zeigen (400 kcal/d versus 1300 kcal/d), wurde hier eine hypokalorische Ernährung mit einer sehr hypokalorischen Ernährung verglichen. Bereits bei der Interpretation der Daten in ihrer Pilotstudie zum gleichen Thema suggerierten die gleichen Autoren einen fehlenden positiven Effekt einer solchen „vollständigen“ enteralen Ernährung gegenüber einer Zottenernährung bei einer höheren Rate an gastrointestinaler Unverträglichkeit (Rice TW; Crit Care Med 2011; 39:967). Schon in dieser Pilotstudie wurde das Ziel einer vollständigen enteralen Zufuhr mit weniger als 1400 kcal/Tag aufgrund des verwendeten Protokolls nicht erreicht. Der Unterschied in der Energie- bzw. Proteinzufuhr zwischen beiden Gruppen war damit nicht sehr groß. Der Effekt einer Ernährungstherapie ist jedoch abhängig von der zugeführten Menge an Energie und Proteinen. So konnten Alberda et al. in einer großen Observationsstudie zeigen, dass eine zusätzliche Gabe von 500 kcal/d an Energie oder von 30 g/d an Protein bei noch nicht vollständiger Ernährungstherapie zu einer signifikanten Reduktion der Mortalität führt (Alberda C; Intens Care Med 2009; 35:1728). Reicht eine Zottenernährung? Bei der Zufuhr von ca. 1300 kcal und einem mittleren Body-Mass-Index von 30 kg/m2 in der EDEN-Studie waren viele Patienten nicht ausreichend ernährt. Pierre Singer et al. haben in einer kürzlich erschienenen Analyse (Singer P; Akt Ernährungsmed 2012; 37:31) eine mögliche Ursache diskutiert, warum bei der Untersuchung zweier unterschiedlicher Ernährungsregimes nicht notwendigerweise die Schlussfolgerung gezogen werden konnte, die man vorausgesagt hatte (Abbildung). Während z. B. in der EPANIC-Studie eine hyperalimentierte mit einer hypoalimentierten Gruppe verglichen wurde (Caesar M; N Engl J Med 2011; 356: 506), wurden von Rice et al. in der vorliegenden Arbeit, ähnlich wie in der Studie von Arabi (Arabi YM; Am J Clin Nutr 2011; 93: 569) zwei Ernährungsregime mit Hypoalimentation in beiden Gruppen miteinander verglichen. In den genannten Studien war kein Vorteil der „vollständigen“ gegenüber der hypoalimentierten Gruppe nachweisbar. Betrachtet man jedoch Studien, in denen das Ernährungsziel („goal“; Abbildung) tatsächlich erreicht wurde, war der positive Einfluss einer vollständigen Ernährungstherapie gegenüber einer hypokalorischen Kontrollgruppe auf das Outcome durchaus darstellbar (Singer P; Intensive Care Med 2011; 37: 601; Heidegger CP; Clin Nutr Suppl 2011; 1:2). Von daher bleibt uns die Schlussfolgerung, dass die Energie- und Proteinzufuhr bei der „voll“ enteral ernährten Gruppe der EDEN-Studie im Vergleich zur trophisch enteral ernährten Gruppe zu hypokalorisch und der Proteingehalt wahrscheinlich zu gering war. Immerhin 50% der Patienten in der EDEN-Studie waren nach 6 Tagen extubiert, was darauf hindeutet, dass zumindest etliche der eingeschlossenen Patienten nicht zu den Schwerstkranken auf der Intensivstation gehören. Neben dieser Einschränkung im Studienprotokoll von Rice und Mitarbeitern wurden schwer mangelernährte Patienten und solche mit COPD und Lebererkrankung, welche ebenso sehr häufig mangelernährt sind oder ein Risiko für die Entwicklung einer Mangelernährung aufweisen, von der Studienteilnahme überhaupt ausgeschlossen. Gerade diese Patienten-Subpopulationen hätten nach unserer Auffassung am ehesten von einer Ernährungstherapie profitiert. Bei den analysierten Patienten mit einem mittleren BMI von 30 kg/m2 und damit guten physiologischen Substratreserven war ein unterschiedliches Studienprotokoll für nur 6 Tage ohnehin kaum in der Lage, einen positiven Effekt einer Ernährungstherapie zu demonstrieren. Aus unserer Sicht zeigt die Studie dennoch ein interessantes Ergebnis, welches aber von den Autoren nicht ausreichend diskutiert wird. Sie zeigt, dass bei Patienten, die sich mit akutem respiratorischem Versagen zum Teil definitionsgemäß im Schock befanden 40% der Patienten waren in beiden Gruppen katecholaminpflichtig - eine von den Autoren gezeigte relativ rasche Steigerung der Ernährungstherapie in der „voll“ ernährten Gruppe nicht mit wesentlich mehr klinisch relevanten Problemen assoziiert ist. Dies ist insofern interessant, da man nach Auffassung der DGEM bei Patienten im Schock nur langsam die enterale Ernährung steigern würde, z. B. um 10 ml/h Nr. 3, 2, 2012 alle 24 h (Weimann A; Akt Ernährungsmed 2003; 28 Suppl 1:51). Eine zu rasche Steigerung der Sondenkost bei inadäquat selektionierten Patienten war bereits von Ibrahim et al. mit einer Erhöhung einer gastrointestinalen Komplikationsrate assoziiert (Ibrahim RN; JPEN 2002; 26:174). Allerdings können die Ergebnisse von Rice et al. an internistischen Patienten mit a priori funktionierendem Gastro-Intestinaltrakt sicher nicht ohne Weiteres auf abdominalchirurgische Patienten oder Patienten mit gastrointestinalem Versagen übertragen werden. Letztlich wird eine potentielle Interferenz zwischen der Omega- und der EDEN-Studie, bei der in der Kontrollgruppe etwa 30 g mehr an Protein verabreicht wurde, von den Autoren nicht diskutiert, kann aber unseres Erachtens nicht ausgeschlossen werden. Dieser Aspekt wird an anderer Stelle in den Intensiv-News ausführlicher diskutiert (siehe Mayer K, IntensivNews Heft 2/2012). Interessenskonflikte: T. Felbinger erhielt in den letzten 3 Jahren Honorare für produktneutrale Fortbildungen und Beratungen von Abbott, Baxter, BBraun, Fresenius Kabi und Nutricia. K. Mayer erhielt in den letzten 3 Jahren Honorare für produktneutrale Fortbildungen und Beratungen von Abbott, Baxter, BBraun, Fresenius Kabi und Nestle. PD Dr. Thomas W. Felbinger Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie Klinikum Neuperlach Städtisches Klinikum München thomas.felbinger@ klinikum-muenchen.de Prof. Dr. Konstantin Mayer Medizinische Klinik II Pneumologie/Intensivmedizin Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen Das Mitochondrion bei Sepsis „Das Fremde in mir“: Neue Erkenntnisse zur Herkunft und Funktion von Mitochondrien „Halte jemandes Hand und fühle ihre Wärme. … Ich bin warm, weil im Inneren jeder meiner Körperzellen Dutzende, Hunderte oder sogar Tausende von Mitochondrien die von mir verzehrte Nahrung verbrennen.“ Dieses Zitat aus dem Jahr 2006 vom weltberühmten, österreichischen Biochemiker und Mitochondrien-Forscher Gottfried Schatz erinnert uns doch stark an die Zeiten harter Bänke in den Hörsälen der Universitäten in der frühen Phase des Medizinstudiums, als wir genötigt wurden, die Bestandteile der menschlichen Zelle systematisch zu lernen. Neben dem endoplasmatischen Retikulum, Golgi-Apparat und vielen anderen Zellorganellen gab es da noch die Mitochondrien – war gar nicht so schwer zu merken, hatten sie doch eine ziemlich eindeutige Funktion als inneres Kraftwerk und metabolischer Alleskönner. Wesentlich weniger bekannt sind die weit mehr als 100 inzwischen beschriebenen, angeborenen Erkrankungen von Mitochondrien, die sich klinisch meistens durch eine Störung kardialer und/oder neuronaler Funktionen bei den betroffenen Kindern äußern, also primär in den Organbereichen, die sich durch einen überdurchschnittlichen Energiebedarf im Körper auszeichnen. Aus diesem „Versagen des Kraftwerkes“ (Westly E; Nature Med 2010; 16: 625) haben wir bereits viel gelernt, was Ursprung und Funktion der Mitochondrien angeht. So wissen wir, dass Mitochondrien in ihrer inneren Matrix eine eigene Doppelstrang-DNA haben (mtDNA), dafür aber keinen „Kern“ brauchen, wie es definitionsgemäß für Eukaryoten beschrieben ist, sondern oft Plasmidstrukturen nutzen, wie sie wiederum für die Prokaryoten typisch sind. Besonders interessant wird es, wenn man sich den Vererbungsprozess dieser Krankheiten anschaut: Abgesehen von spontanen Punktmutationen stammen die Krank- heiten immer von der Mutter (Giles RE; PNAS 1980; 77:6715), und auch auf zellulärer Ebene konnte inzwischen nachgewiesen werden, dass die mtDNA in der Matrix allein aus der maternalen Eizelle und nicht etwa aus einer Mischung mit der väterlichen DNA des Spermiums stammt. Nun, warum sollen diese Erkenntnisse für den Intensivmediziner von Interesse sein? Spätestens seit Juni 2010, als kein anderes Journal als das New England Journal of Medicine mit einem Special Article erschien, in dem es auf einen wenige Wochen vorher in Nature publizierten Artikel verwies, werden die Zusammenhänge und Konsequenzen zunehmend klarer: Bereits im Titel „The Mitochondrion – A Trojan Horse That Kicks Off Inflammation?“ (Manfredi AA ; N Engl JMed 2010; 362:2132) wird der Begriff des „Trojanischen Pferdes“ zum Sinnbild der Teleologie, und der generelle Verweis auf Entzündungsprozesse öffnet die Vision der enormen Bedeutung neuerer Forschung auf diesem Feld. Schaut man sich also noch einmal die Grundstruktur eines Mitochondrions an (Abb.) und übersetzt das, was im Absatz zuvor noch mit den Termini Eukaryoten und Prokaryoten vernebelt wurde, in die klare Sprache moderner Evolutionslehre, so kann man den Kerninhalt des Artikels von Manfredi wie folgt darstellen: Wir müssen heutzutage davon ausgehen, dass Mitochondrien ursprünglich Bakterien sind, die vor Millionen Jahren in Vorformen tierischer Zellen eingedrungen sind und sich dort in der Folge im Sinne einer symbiotischen Allianz eingenistet haben. Die Kernbestandteile wie Matrix mit der mtDNA, innere Membran und Cristae (Abb.) sind klar einem bakteriellen Ursprung zuzuordnen, während die äußere Membran eher eukaryotischen Zellen ähnelt, ebenso wie der intermembranöse Raum, der dem Zytosol der „Mutterzelle“ fast gleich ist (Abb.). Zwar ist der UrNr. 3, 2, 2012 sprung bis heute nicht ganz geklärt, aber die momentane Theorie geht von alphaProteobakterien als Ausgangsart aus (Nunnari J; Cell 2012; 148:1145). Sinnvoll scheint diese Symbiose allemal zu sein, wenn man sich die eingangs erwähnten Konsequenzen einer mitochondrialen Funktionsstörung anschaut. Längst hat sich auch die einfache Sicht des intrazellulären Kraftwerks geändert bzw. spezifiziert. So wissen wir, dass Mitochondrien vielfache Funktionen im Zellstoffwechsel und in der Regulation des Zellzyklus ausüben oder unterstützen. Neuere Daten bescheinigen den Mitochondrien bei einigen Erkrankungen den Charakter einer „schnellen Eingreiftruppe“, etwa durch Transfer aus Knochenmarkszellen hin zu geschädigten Alveolarzellen beim Lungenversagen (Islam MN ; Nature Med 2012; 18:759). Dort nisten sich die Knochenmarks-Mitochondrien in die Epithelzellen ein und sorgen für eine bioenergetische Verbesserung mit Heilung des Gewebes. Beim Begriff des „Trojanischen Pferdes“ denken wir aber doch an etwas anderes als an Geniestreiche der Natur. In der Tat verwies der erwähnte NEJM-Artikel auf die Kehrseite der Medaille, und das Begleit-Editorial von Calfee und Matthay in Nature wenige Wochen zuvor sprach von „Culprits with evolutionary ties“, also von Tätern in evolutionären Krawatten (Calfee CS; Nature 2010; 464:41) – auch nicht gerade eine freundliche Nomenklatur. Hintergrund für beide Begleit-Artikel waren die spektakulären Entdeckungen von Zhang et al., die nachgewiesen hatten, dass Bestandteile von Mitochondrien bei einem Lungenversagen für die Initiierung des Entzündungsprozesses maßgeblich verantwortlich sind. Die pathogenetischen Wege bei einer klassischen, infektionsbedingten Entzündung beruhen auf der Reaktion körpereigener Zellen über Rezeptoren wie den Das Mitochondrion bei Sepsis Toll-like receptors (TLR) auf bakterielle Bestandteile wie Endotoxine, Exotoxine und/oder DNA-Fragmente, die man zusammenfassend als Pathogen-assoziierte, molekulare Bestandteile (engl.: pathogenassociated molecular patterns) oder PAMPs bezeichnet. Seit Jahren streiten sich die Immunologen, ob nun das „Fremde“ („stranger“) oder die unmittelbare Gefahr („danger“) Auslöser für die Wirtsantwort ist, und als Folge dieser Diskussion hat man die genannten Bestandteile auch als „dangerassociated molecular patterns“ oder DAMPs bezeichnet. Zhang et al. konnten zeigen, dass es bei einer mechanischen (also nicht infektiösen!) Lungenschädigung zur Membranzerstörung der Lungenzellen kommt („disruption“), und dass dadurch die zelleigenen Mitochondrien nach außen treten. Hier lösen sie mit ihren molekularen Bestandteilen wie mtDNA oder Formylpeptiden, also durch mitochondriale DAMPs (MTD) genau dieselbe Wirtsantwort aus wie bei einer gramnegativen Infektion (Zhang Q; Nature Med 2010; 464:104). Diese Erkenntnisse erklären, warum die inflammatorischen Veränderungen wie etwa das klassische SIRS eben nicht nur durch eine vorangegangene Infektion zu erklären sind, sondern auch durch andere Gewebsschädigungen, etwa nach Unfällen, Operationen, hypoxischen Schäden etc., ausgelöst werden, und dass die körpereigenen Mitochondrien hierbei vermutlich eine maßgebliche Rolle spielen, indem sie aus der „geschützten Werkstatt“ Zelle heraustreten und wieder den Charakter ihres Ursprungs als Bakterien und damit körperfremdes Material annehmen. Die Konsequenzen dieser Entdeckung können momentan noch gar nicht abgesehen werden: Einerseits sind damit neue Argumente in der Diskussion „stranger“ versus „danger“, und damit in der fast philosophischen Betrachtung der Teleologie des Immunsystems offenkundig. Andererseits eröffnen sich für uns Intensivmediziner völlig neue Erkenntniswege über Krankheitsverläufe, die uns bisher zwar bekannt, aber von der Pathophysiologie eher ein Rätsel waren. Etwa der Anstieg von Entzündungsmarkern wie Abb.: Grundstruktur eines Mitochondrions, gezeigt am Beispiel eines Crista-Typs, daneben gibt es auch tubuläre oder sakkuläre Typen. Die 5 Bestandteile sind: 1) Die äußere Membran (blau), dahinter 2) der intermembranöse Raum (grau); beides ist den eukaryoten Zellbestandteilen bzw. dem Zytosol sehr ähnlich und wird evolutionär somit eher der „Mutterzelle“ zugeschrieben. 3) Die innere Membran (rot) mit 4) den Cristae als vielfache Ausstülpungen (rot) sowie 5) die Matrix im Inneren sind dagegen bakteriellen Ursprungs. In der Matrix befindet sich auch die mitochondriale Doppelstrang-DNA (mtDNA), z. B. in Form von zirkulären Plasmiden. CRP, Procalcitonin oder IL-6 nach schwerem Polytrauma oder großen herz- oder thoraxchirurgischen Eingriffen; das macht doch häufig nervös, lässt Begleitinfektionen vermuten und führt zu entsprechenden diagnostischen und therapeutischen Interventionen. Ob sich die von Zhang et al. genannten Phänomene überhaupt in die klinische Diagnostik einbeziehen lassen, ist völlig unklar. Und die therapeutischen Konsequenzen? Sollen zu diesem Zeitpunkt Konzepte geändert werden? Braucht der schwerverletzte Patient also doch keine Antibiotika-Prophylaxe bzw. –Therapie, wenn doch seine Symptomatik nun erklärbar ist? Oder sind die neuen pathophysiologischen Wege umgekehrt Angriffspunkt innovativer adjunktiver Therapien, die eventuell viel weiter gehen als bei infektions-assoziierten Organversagen? Nur eines ist sicher: Wieder einmal haben aktuelle Erkenntnisse aus der experimentellen Forschung ihre Relevanz für die praktische Medizin erwiesen, auch wenn Nr. 3, 2, 2012 die Konsequenzen noch nicht überschaubar sind. Wieder einmal sind wir Kliniker von den Lehren der Evolutionsbiologie eingeholt worden, und wir sollten dies mit großer Aufmerksamkeit im Auge behalten. Und wieder einmal sollten wir einen Moment innehalten im Hinblick auf die Faszination der Natur, ein wenig Bescheidenheit üben, was unsere eigenen Möglichkeiten einer Manipulation ihrer Regeln betrifft, doch dann mit Kraft und Engagement klinische und experimentelle Forschung auf dem Feld Infektion, Wirtsabwehr und Organversagen weiter fördern – dieses eine Beispiel hat gezeigt, dass sich das immer lohnt! Interessenskonflikte: Keine Prof. Dr. Herwig Gerlach Klinik für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie Vivantes – Klinikum Neukölln Berlin, Deutschland herwig.gerlach@vivantes.de Lagerung von Intensivpatienten Hochlagerung des Oberkörpers bei Intensivpatienten: Wo liegt die Evidenz? An evidence-based recommendation on bed head elevation for mechanically ventilated patients. Niël-Weise BS, Gastmeier P, Kola A, et al. Crit Care 2011; 15:R111 Leiden University Medical Center, Dutch Working Party Infection Prevention, C7-130, Postbus 9600, 2300 RC Leiden, Germany. INTRODUCTION: A semi-upright position in ventilated patients is recommended to prevent ventilator-associated pneumonia (VAP) and is one of the components in the Ventilator Bundle of the Institute for Health Care Improvement. This recommendation, however, is not an evidence-based one. METHODS: A systematic review on the benefits and disadvantages of semi-upright position in ventilated patients was done according to PRISMA guidelines. Then a European expert panel developed a recommendation based on the results of the systematic review and considerations beyond the scientific evidence in a three-round electronic Delphi procedure. RESULTS: Three trials (337 patients) were included in the review. The results showed that it was uncertain whether a 45° bed head elevation was effective or harmful with regard to the occurrence of clinically suspected VAP, microbiologically confirmed VAP, decubitus and Die Hochlagerung des Oberkörpers beim beatmeten Patienten in einem Winkel von 30-45° (Abbildung 1) wird sowohl als Prophylaxe der ventilator-assoziierten Pneumonie (VAP) (Lorente L, Eur Resp J 2007; 30:1190) als auch als „grundsätzliche“ Lagerungsform des beatmeten Patienten in den S2-Leitlinien der DGAI zur Lagerungstherapie empfohlen (Bein T, Anästh Intensivmed 49, 2008; Suppl 1). Oberkörperhochlagerung verbessert bei etwa zwei Drittel der Patienten mit ALI/ARDS den Gasaustausch, wahrscheinlich durch Rekrutierung basaler Atelektasen und einen Wegfall des abdominellen Druckes auf das Zwerchfell und damit einer Zunahme des end-exspiratorischen Lungenvolumens (Hoste mortality, and that it was unknown whether 45° elevation for 24 hours a day increased the risk for thromboembolism or hemodynamic instability. A group of 22 experts recommended elevating the head of the bed of mechanically ventilated patients to a 20 to 45° position and preferably to a ≥ 30° position as long as it does not pose risks or conflicts with other nursing tasks, medical interventions or patients' wishes. CONCLUSIONS: Although the review failed to prove clinical benefits of bed head elevation, experts prefer this position in ventilated patients. They made clear that the position of a ventilated patient in bed depended on many determinants. Therefore, given the scientific uncertainty about the benefits and harms of a semi-upright position, this position could only be recommended as the preferred position with the necessary restrictions. EAJ, J Intensive Care Med 2005; 20:43; Richard JCM, Intensive Care Med 2006, 32:1623). Weiters vermindert sich beim spontan atmenden Patienten die Atemarbeit (Brandi LS, Chest 1996; 109:630). Von besonderer Bedeutung ist die Oberkörperhochlagerung bei morbid-adipösen Patienten, die durch akute Atelektasenbildung und Anstieg des pulmonalarteriellen Druckes in flacher Rückenlage sogar in eine lebensbedrohliche Situation geraten können (Paul DR, Anesthesiology 1976, 45:73). Eine konsequente Oberkörperhochlagerung in Kombination mit einem adäquat hohen PEEP führt hier zu einem deutlichen Anstieg sämtlicher Lungenvolumina (Valenza F, Anesthesiology 2007; 107:725). Nr. 3, 2, 2012 Die Hochlagerung des Oberkörpers zur Prophylaxe der VAP wird in vielen Guidelines empfohlen, die Evidenz ist allerdings bei genauer Betrachtung fragwürdig. Drakulovic et al. konnten eine beeindruckende Verringerung der VAPRate in der Hochlagerungsgruppe (45°) auf 8% im Vergleich zu 34% in der Kontrollgruppe (0°) zeigen (Drakulovic MB, Lancet 1999; 354:1851). Die pathophysiologische Grundlage dieses Effektes bildet die Hintanhaltung der Mikroaspiration von Inhalten des Gastrointestinaltraktes am Tubuscuff vorbei (Torres A, Ann Intern Med 1992; 116:540). Zwei Nachfolgestudien kamen allerdings zu anderen Ergebnissen: Eine niederländische Gruppe konnte bei vergleich- Lagerung von Intensivpatienten barem Studiendesign trotz einer hohen Patientenzahl keinen signifikanten Unterschied in der Pneumonierate nachweisen (van Nieuwenhoven CA, Crit Care Med 2006; 34:396). Allerdings wurde in dieser Studie das Lagerungsziel 85% der Zeit nicht erreicht: Statt 45° Hochlagerung wurden im Durchschnitt 26° erreicht, in der Kontrollgruppe hingegen waren die Patienten nicht 0° flach, sondern im Schnitt 12° hoch gelagert. Die Schlussfolgerung der Autoren, die als Empfehlung in mehrere Guidelines zur VAP-Prophylaxe Eingang gefunden hat, dass eine Hochlagerung von weniger als 30° ineffektiv ist und damit ein Lagerungsziel von >30° angestrebt werden sollte, erscheint fragwürdig, da es einerseits keine Arbeit gibt, die die Effektivität einer 30° Oberkörperhochlagerung untersucht, andererseits die Daten auch so interpretierbar wären, dass eine 12° Hochlagerung (wie in der Kontrollgruppe) eine ausreichende Aspirationsprophylaxe darstellen könnte. Eine kleinere britische Arbeit aus dem Pflegebereich verglich eine 45° Oberkörperhochlagerung gegen eine 25° Lagerung und fand keinen statistisch signifikanten Unterschied in Bezug auf die VAP-Inzidenz (Keeley L, Nurs Crit Care 2007; 12:287). In der nunmehr vorliegenden Metaanalyse von Barbara Niel-Weise werden die drei erwähnten Arbeiten zur VAP-Prophylaxe zusammengefasst. Das Ergebnis ist ein statistisch nicht signifikanter Trend zu verminderter VAP-Inzidenz bei 45° Oberkörperhochlagerung, wobei Abb. 1a: Lagerung 30° Abb. 1b: Lagerung 45° die Qualität der Studien kritisiert und die hohe statistische Heterogenität beschrieben wird. Meiner Meinung nach sind die drei Studien nicht vergleichbar, werden doch drei unterschiedliche Settings beschrieben: 0 versus 45°, 12 versus 26° und 25 versus 45°. Dementsprechend ist eine Metaanalyse ein in diesem Fall fragwürdiges Instrument. Viel wesentlicher erscheint allerdings der zweite Teil der Analyse von Niel-Weise: Es wurde eine Gruppe von internationalen Experten im Rahmen einer strukturierten Umfrage („Delphi-Verfahren“) zum Thema Oberkörperhochlagerung befragt und ein ConsensusStatement generiert. Das Ergebnis spiegelt die Unsicherheit in der Datenlage und die Schwierigkeiten in der klinischen Umsetzung der konsequenten Oberkörperhochlagerung auf der Intensivstation wider. Eine Hochlagerung von vorzugsweise >30° wird empfohlen, sofern praktikabel und leicht umsetzbar. Bezeichnend ist der letzte Absatz des Consensus-Statements: „European experts in intensive medicine CONCLUDE that the recommendation should not be compelling, because the prevention of VAP is uncertain and the balance between benefits and harms is unknown, and maintaining semi-upright position interferes with other nursing tasks or with medical interventions. The experts RECOMMEND to elevate the head of the bed of mechanically ventilated patients to a 20 to 45° position and preferably in a ≥30° position as long as it does not pose risks and conflicts with other nursing tasks, medical interventions or with patients’ wishes.” Das bedeutet in anderen Worten, dass die Oberkörperhochlagerung zwar empfehlenswert, aber die Durchführung aufgrund mangelnder Evidenz der klinischen Praktikabilität angepasst werden sollte. Nicht vernachlässigt werde sollte allerdings der positive Effekt auf Gasaustausch und Atemarbeit. Bei morbidadipösen Patienten (BMI > 40) ist die Oberkörperhochlagerung nach wie vor als zwingend zu empfehlen. Vor allem wünschenswert wäre zudem eine gut konzipierte, mit einer klaren Fragestellung geführte Studie zu diesem Thema. Interessenskonflikte: Keine Prof. Dr. Thomas Staudinger Abb. 2: Assoziation zwischen Lagerungs- und Kontrollgruppe bezüglich des klinischen Verdachtes auf eine ventilator-assoziierte Pneumonie (VAP) (modifiziert nach Niel-Weise BS; Crit Care 2011; 15:R111). Beachten Sie: Die Evidenz für die Lagerungstherapie bezüglich des Auftretens einer VAP ist sehr niedrig! Nr. 3, 2, 2012 Universitätsklinik f. Innere Medizin I Intensivstation 13i2 Medizinische Universität Wien AKH Wien thomas.staudinger@meduniwien.ac.at Kardiogener Schock und Inflammation Geraten Sie im kardiogenen Schock nicht in RAGE!* * In enger Anlehnung an das englische Editorial von K. Werdan in Crit Care Med. Role of receptor for advanced glycation end products in cardiogenic shock. Selejan SR, Pöss J, Hewera L, Kazakov A, et al. Crit Care Med 2012; 40:1513-22 Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar, Germany. OBJECTIVE: Activation of the receptor for advanced glycation end products by its ligands promotes inflammatory processes and tissue injury. The available evidence suggests that soluble forms of receptor for advanced glycation end products circulating in the plasma may neutralize the ligand-mediated damage by acting as a decoy. Thus, it is hypothesized that receptor for advanced glycation end products expression might be deleterious, whereas soluble receptor for advanced glycation end products might be beneficial in cardiogenic shock. However, until now, no data exist regarding the role of soluble receptor for advanced glycation end products and receptor for advanced glycation end products in humans with cardiogenic shock complicating myocardial infarction. DESIGN: Prospective observational cohort study. SETTING: Intensive critical care unit of a university hospital. PATIENTS: Forty patients with cardiogenic shock complicating acute myocardial infarction, 20 age-matched patients with acute uncomplicated myocardial infarction and, 20 age-matched healthy volunteers. INTERVENTIONS: None. MEASUREMENTS AND MAIN RESULTS: Monocytic receptor for advanced glycation end products expression assessed by flow cytometry was significantly increased in cardiogenic shock nonsurvivors (137.02 ± 7.48 mean fluorescence intensity; n = 13) compared to survivors (67.80 ± 8.33 mean fluorescence intensity; n = 17; p < .001). Wenn sich auf dem Boden eines akuten Herzinfarktes ein kardiogener Schock entwickelt, so ist die Prognose des betroffenen Patienten ernst. Zumindest initial ist die ausgeprägte Pumpfunktionsstörung verantwortlich für die Einschränkung der Perfusion vitaler Organe mit der Folge des drohenden Multiorgan-Dysfunktionssyn- Conversely, nonsurvivors had significantly decreased plasma soluble receptor for advanced glycation end products levels (79.87 ± 10.62 arbitrary units; n = 13; p = .004) compared to survivors (127.65 ± 10.52 arbitrary units; n = 17) as assessed by Western blotting. Receptor for advanced glycation end products expression and soluble receptor for advanced glycation end products levels were determined as independent predictors for 28-day mortality in cardiogenic shock confirmed by receiver-operator characteristics and multivariate analysis (receptor for advanced glycation end products: area under the curve, 0.943 ± 0.05; p < .001; soluble receptor for advanced glycation end products: area under the curve, 0.815 ± 0.08; p < .01). Both receptor for advanced glycation end products >103.6 mean fluorescence intensity or soluble receptor for advanced glycation end products <76.88 arbitrary units independently predicted a 27.87-fold (p < .001) and a 3.97-fold (p = .019) increase in 28-day mortality in cardiogenic shock. CONCLUSIONS: Enhanced monocytic receptor for advanced glycation end products expression and decreased plasma soluble receptor for advanced glycation end products levels play a central role in patients with cardiogenic shock associated with proinflammatory and destroying pathways, resulting in an enhanced 28-day mortality-rate. Receptor for advanced glycation end products and soluble receptor for advanced glycation end products may be prognostic biomarkers for survival in cardiogenic shock and might represent a novel therapeutic target in cardiogenic shock. droms (MODS). Die sofortige Koronarrevaskularisation - üblicherweise mittels perkutaner Koronarintervention - kann diesen ungünstigen Verlauf aufhalten, zumindest bei einigen Patienten (Hochman JS; N Engl J Med 1999; 341:625; Hochman JS; JAMA 2006; 295:2511). Dennoch gelingt es bei einem erheblichen Teil der PatienNr. 3, 2, 2012 ten mit kardiogenem Schock trotz erfolgreicher und zeitgerechter Revaskularisierung nicht, die Entwicklung des irreversiblen Multiorganversagens zu verhindern (Hochman JS; Circulation 2003; 107:2998; Kohsaka S; Arch Intern Med 2005; 165:1643). Warum es trotz kausaler Behandlung der Ursache - nämlich der Wiederher- Kardiogener Schock und Inflammation stellung der Koronarperfusion, was meist auch zu einer Verbesserung der myokardialen Pumpfunktion führt häufig nicht möglich ist, den fatalen Verlauf von Schock und MODS zu verhindern, liegt nicht auf der Hand. Eine zunehmende Anzahl von Studien deutet darauf hin, dass die Entwicklung eines systemischen Inflammations-Response-Syndroms (SIRS) eine Schlüsselrolle im Krankheitsprozess des kardiogenen Schocks spielt (Kohsaka S; Arch Intern Med 2005; 165:1643; Prondzinsky R; Crit Care Med 2010; 38:152). Interleukin 6-Serum-Spiegel sind bei Patienten mit letalem infarktbedingten kardiogenen Schock signifikant höher als bei überlebenden Patienten (Geppert A: Crit Care Med 2002; 30:1987; Prondzinsky R: Crit Care Med 2010; 38:152) und Versterbende haben einen signifikant höheren APACHE-II-Score als Ausdruck des manifesten MODS (Prondzinsky R; Crit Care Med 2010; 38: 152). Diese aktuellen Ergebnisse von Selejan et al. untermauern die Hypothese, dass der einmal angestoßene und sich dann geradezu verselbständigende Inflammations-Prozess für die deletären Folgen des kardiogenen Schocks (mit-) verantwortlich ist (Selejan SR: Crit Care Med 2012; 40:1513). Die Autoren belegen, dass der zellgebundene Rezeptor für fortgeschrittene Glykierungsendprodukte („receptor for advanced glycation end products“, RAGE) in Monozyten der versterbenden Patienten mit kardiogenem Schock signifikant stärker exprimiert ist als bei überlebenden, wohingegen die PlasmaSpiegel des löslichen RAGE, der in funktioneller Hinsicht durch die Elimination von zirkulierenden Liganden eine antagonistische Wirkung entfaltet, der versterbenden Schockpatienten niedriger sind. Die Autoren folgern aus ihren Untersuchungen, dass die gesteigerte Mono- Tabelle: Aussagekraft prognostischer Biomarker bei Patienten mit infarktbedingtem kardiogenem Schock Biomarker AUC RAGE Expression auf Monozyten sRAGE* SAPS-II-Score APACHE-II-Score Cardiac Power Index Herzindex Interleukin 6* NT-pro-BNP* BNP* CRP* 0.943, p <.001 (1) 0.815, p = .004 (1) 0.873, p < .001 (1) 0.850, p < .001 (2) 0.742, p = .025 (1) 0,771, p = .008 (2) 0.747, p = .025 (1)/ 0.769, p = .011 (2) 0.674, p = .149 (1) 0.502, p = .987 (2) 0.505, p = .963 (1) Die prognostische Relevanz in Bezug auf Letalität wurde als Fläche unter der Kurve („area under the curve“, AUC) von „Receiver Operating Characteristic Curves“ (ROC) den Publikationen von Selejan et al. (Crit Care Med 2012; 40:1513) (1) und Prondzinsky et al. (Crit Care Med 2010; 38:152) (2) entnommen. RAGE, Rezeptor für fortgeschrittene Glykierungsendprodukte („Advanced Glycation End Products”); sRAGE, lösliches („soluble“) RAGE. *Serum-/Plasma-Spiegel. zyten-RAGE-Expression und die verminderten sRAGE-Plasma-Spiegel eine wichtige pathophysiologische Rolle beim kardiogenen Schock spielen und prognostisch relevante Biomarker im Schock darstellen könnten. Des Weiteren wäre es denkbar, RAGE und sRAGE als neue Therapieziele in der Behandlung des kardiogenen Schocks in Erwägung zu ziehen – wenngleich dieser Therapieansatz sicher gegenwärtig noch als sehr hypothetisch anzusehen ist. Bei der Lektüre des Beitrages von Selejan et al. tauchen einige Fragen auf. Zum einen ist das auf peripheren mononukleären Blut- und auf Endothelzellen exprimierte RAGE ein Multiliganden-bindender Rezeptor, der sowohl fortgeschrittene Glykierungsendprodukte (AGEs) als auch inflammatorische Transkriptionsfaktoren („High-mobility group box-1-Protein“ etc.) binden kann. Dieser Bindungsprozess führt zur anhaltenden Aktivierung von EntzünNr. 3, 2, 2012 dungsprozessen und zur Gewebeschädigung. Er ist nicht auf den kardiogenen Schock beschränkt, sondern auch bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen anzutreffen, z. B. bei schwerer Sepsis, Diabetes, rheumatoider Arthritis. Das sRAGE im Plasma und Gewebe wird überwiegend durch proteolytische Spaltung des zellgebundenen Rezeptors gebildet. In physiologischer Hinsicht entfernt sRAGE freie RAGE-Liganden und hemmt damit die Aktivierung zellständiger RAGE-Rezeptoren. Offenbar spielt die Aktivierung des RAGE/sRAGE-Systems eine zentrale Rolle bei der Myokardischämie und –Reperfusion im kardiogenen Schock. Allerdings ist bislang noch völlig unklar, welche der üblicherweise durch RAGE-Aktivierung getriggerten Mechanismen beim kardiogenen Schock letztendlich schädlich sind: Die Stimulation der Apoptose, die Verminderung der Verfügbarkeit von Stickoxid (wobei im prolongierten kardiogenen Schock eher ein Zuviel von NO anzunehmen ist), die gesteigerte Expression von Ad- Kardiogener Schock und Inflammation häsionsmolekülen und proinflammatorischen und chemoattraktiven Mediatoren und/oder die verstärkte Aktivität von Entzündungszellen, wie eben der zirkulierenden Monozyten. Und einmal mehr wird eine weitere Frage durch diesen Beitrag aufgeworfen: Was sind tatsächlich die aussagekräftigsten prognostischen Marker beim kardiogenen Schock? Gut gesichert sind in dieser Hinsicht eine Reihe hämodynamischer Kenndaten wie der systolische Blutdruck, die erforderliche Vasopressor-Dosis, die Serumspiegel der natriuretischen Peptide und vor allem der Cardiac Power Index (Fincke R; J Am Coll Cardiol 2004; 44:340; Prondzinsky R; Crit Care Med 2010; 38: 152). Beim Versuch der quantitativen Betrachtung (siehe Tabelle) fällt allerdings auf, dass nicht die „Herzinsuffizienz“Biomarker die beste prognostische Aussagekraft zu haben scheinen, sondern Scores wie der SAPS-II- und der APACHE-II-Score, welche nicht allein auf die Funktionsstörung des Herzens abzielen, sondern den Schweregrad des MODS anzeigen. Und weiterhin ist erstaunlich, dass Biomarker der Entzündung und Gewebe- schädigung („damage associated molecular patterns“, DAMP), wie IL-6, RAGE und sRAGE offenbar eine stärkere prognostische Aussagekraft als die besten Hämodynamik-Parameter haben. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass die von Selejan et al. beschriebene RAGE-Expression auf Monozyten und die sRAGE-Plasmaspiegel mit die stärkste prognostische Information tragen (Tabelle): Sowohl das Monozyten-gebundene RAGE (> 103,6 MFI) als auch der sRAGESpiegel (< 76,88 Einheiten) waren unabhängige Prädiktoren der 28-TageLetalität, und dies mit einer HazardRatio von 28 (p < 0,001) bzw. 4,0 (p = 0,019). Dementsprechend sind auch die korrespondierenden AUC-Werte von 0,94 ± 0,05 für die MonozytenRAGE-Expression und von 0,815 ± 0,08 für die Plasma-sRAGE-Spiegel geradezu „atemberaubend“(siehe Tabelle). Es wäre wünschenswert, wenn sich aus diesen Erkenntnissen tatsächlich neue Therapieansätze ableiten ließen. Nüchtern betrachtet ist im kardiogenen Schock nach Herzinfarkt die unverzügliche Wiedereröffnung der verschlossenen Koronararterie zur Zeit die einzige evidenzbasierte erfolgreiche Behandlungsmaßnahme (Hochman JS: N Engl J Med 1999; 341:625; Hochman JS: JAMA 2006; 295:2511), wohingegen verschiedene andere Ansätze wie die Hemmung der überschießenden Stickoxid-Bildung im Rahmen der Schockgetriggerten Inflammation mit dem nicht-selektiven Stickoxidsynthasehemmer Tilarginin trotz pathophysiologisch überzeugender Konzepte bei der klinischen Anwendung gescheitert sind (TRIUMPH-Studie: JAMA 2007; 297: 1697). Letztendlich kann nur im Rahmen weiterer Studien die Frage geklärt werNr. 3, 2, 2012 den, ob die therapeutische Beeinflussung des RAGE/sRAGE-Systems einen Stellenwert in der Behandlung der Patienten mit infarktbedingtem kardiogenen Schock einnehmen könnte. Theoretisch ist es durchaus denkbar, dass mittels monoklonaler Antikörper, rekombinanter löslicher Rezeptoren und/oder Rezeptorantagonisten eine Modulation des RAGE/sRAGE-Systems unternommen werden könnte. Aber ohne gleich in eine Art therapeutischen Nihilismus verfallen zu wollen: Ganz dürfen in diesem Zusammenhang sicherlich auch nicht die enttäuschenden Resultate vergangener Studien vergessen werden, die mit ähnlichen – aber offenbar leider zu simplen – Konzepten bei der Behandlung des septischen Schocks in das komplexe Mediatornetzwerk eingreifen wollten und durch Pleiotropie und Redundanz der Mediatoren leider auf der Strecke geblieben sind. Zusammenfassend präsentiert uns diese sorgfältig durchgeführte monozentrische Studie von Selejan und Mitarbeitern mit all ihren von den Autoren selbst angesprochenen Limitationen interessante und stimulierende Ergebnisse der Pathophysiologie des kardiogenen Schocks. Sie identifiziert dabei neue Biomarker und eröffnet gleichzeitig die Chance auf einen potentiellen Therapieansatz. Das ist eine ganze Menge! Interessenskonflikte: Keine (beide Autoren) PD Dr. Henning Ebelt Prof. Dr. Karl Werdan Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III Universitätsklinikum Halle (Saale) Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg karl.werdan@uk-halle.de Welt-Sepsis-Tag 2012 Welt-Sepsis-Tag (WST) 13. September 2012 Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wenden uns mit der Bitte an Sie, dass Ihre Abteilung und auch Ihr Krankenhaus offizieller Unterstützer des WeltSepsis-Tages (WST) wird. Der Welt-Sepsis-Tag wird erstmalig am 13. September 2012 in vielen Ländern der Welt und auf allen Kontinenten stattfinden. Wir bitten Sie deshalb, zusammen mit der Leitung Ihrer Einrichtung zu überprüfen, ob Sie Teil einer internationalen Koalition von führenden Krankenhäusern aus allen Teilen der Welt werden möchten, die sich verpflichtet haben, einen Beitrag zur Reduzierung der Sepsisbedingten medizinischen, gesundheitsökonomischen und menschlichen Krankheitslast zu leisten. In der Welt-Sepsis-Deklaration, die Sie auf der Homepage (www.sepsis-gesellschaft.de) der Deutschen Sepsis-Gesellschaft finden, hat sich diese Koalition die folgenden Ziele gesetzt: 1. Reduzierung der Sepsishäufigkeit durch Prävention 2. Verbesserung der Überlebensrate bei Erwachsenen und Kindern 3. Verbesserung der Wahrnehmung und des Verständnisses von Sepsis in der Öffentlichkeit und bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen 4. Sicherstellung und Verbesserung der Versorgung von Sepsispatienten in der Post-Akut-Rehabilitationsphase 5. Schaffung eines Sepsisregisters zur Erfassung der Sepsishäufigkeit und der Spätfolgen bei Überlebenden Wir erwarten von den unterstützenden Einrichtungen keine finanzielle Beteiligung, sondern die Bereitschaft zu überprüfen, inwieweit ein Beitrag zu einem dieser fünf Ziele geleistet werden kann, sich in diesem Kontext Ziele zu setzen und die Voraussetzungen für das Erreichen dieser Ziele zu schaffen. Zudem würden wir es begrüßen, wenn die Einrichtungen am 13. September 2012 mit eigenständigen Aktivitäten zum Erfolg des Welt-Sepsis-Tages beitragen würden. Der WST ist eine Initiative aus Deutschland. Durch die Arbeit der 2001 gegründeten Deutschen Sepsis-Gesellschaft, des vom BMBF geförderten Kompetenznetzes SepNet, weiteren öffentlich geförderten regionalen Forschungsprojekten zum Thema und nicht zuletzt durch die erfolgreiche Arbeit der Deutschen Sepsis-Hilfe stand Deutschland 2010 Pate für die Bildung einer Globalen Sepsis Allianz (GSA). Die Global Sepsis Alliance und die internationale Koalition für den World Sepsis Day wird inzwischen von mehr als 50 nationalen und internationalen medizinischen Fachgesellschaften und Weltverbänden unterstützt. Für Deutschland hat die Deutsche Sepsis-Gesellschaft die Koordination der Aktivitäten für den WST übernommen. In Deutschland wird der WST bereits von einer Reihe von weiteren wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, dem Medizinischen Fakultätentag und auch dem Bundesverband der Medizinstudenten unterstützt. Wir haben diese Initiative ergriffen, weil Sepsis weltweit zu einer der häufigsten und gleichzeitig von der Öffentlichkeit am wenigsten wahrgenommenen Erkrankungen zählt. Die Welt-Sepsis-Deklaration wurde am 20.03.2012 in Brüssel auf einer Pressekonferenz der internationalen Presse und den Teilnehmern des ISICEM-Kongresses vorgestellt. Ein kurzfristiges Ziel für Deutschland ist es, bis zum 13. September 2012 mindestens 50% der deutschen Krankenhäuser für die Unterstützung der Ziele der Welt-Sepsis-Deklaration zu gewinnen. Mittelfristiges politisches Ziel auf globaler Ebene ist die offizielle Unterstützung des World Sepsis Days durch die Mitgliedervollversammlung der WHO. Mitte Juni wird die offizielle Webseite des World Sepsis Days online geschaltet. Es wäre zu begrüßen, wenn wir bereits zu diesem Zeitpunkt Ihr Krankenhaus - und falls dieses kurzfristig nicht möglich ist - zumindest Ihre Klinik/Abteilung als Unterstützer des WST auf der Webseite nennen könnten. Die DSG wird bis zum 13.09. allen Unterstützern eine Mediathek (Powerpoint/Videos) für interne Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen zur Verfügung stellen, die über diese Webseite kostenlos downloadbar ist. Bitte schicken Sie uns eine e-mail unter: office@world-sepsis-day.org und teilen Sie uns mit, ob wir Sie als Unterstützer aufführen dürfen. Es würde uns sehr freuen, wenn Ihre Einrichtung zu den Erstunterstützern des Welt-Sepsis-Tages gehören würde. Prof. Dr. T. Welte, Vorsitzender Deutsche Sepsis-Gesellschaft Prof. Dr. F. M. Brunkhorst, Generalsekretär Deutsche Sepsis-Gesellschaft Prof. Dr. K. Reinhart, Chairman Global Sepsis Alliance World Sepsis Day | Head Office | Global Sepsis Alliance | Center for Sepsis Control and Care Erlanger Allee 101 | 07747 Jena | Germany | T +49 3641 9323101 | F +49 3641 9323102 E office@world-sepsis-day.org | www.world-sepsis-day.org Nr. 3, 2, 2012 Rätsel / Impressum Intensivmedizinisches Rätsel Waagerecht: 1 Regel in der Rechtsmedizin zur Feststellung der zeitlichen Reihenfolge von Schädelfrakturen, wenn mehrere vorliegen (Eponym) 3 Zellen des Juxtaglomerulären Apparates der Niere: ...kissenzellen 8 Mitochondriale Erkrankung mit im Vordergrund stehender Knochenmark- und Pankreasinsuffizienz (Syndrom; Eponym) 10 Kompetetiver Alpha-Glucosidase-Hemmer in der Behandlung des nicht-insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II 12 Lat.: Breit, weit, gross 13 Paretisch (dtsch.) 15 Klassische Vitamin B Mangelerkrankung 19 Ulna 20 Retinol = Vitamin ... 21 Klinisches Zeichen eines in die linke Schulter ausstrahlenden Oberbauchschmerzes mit Hyperästhesie als Symptom einer Milzruptur (Eponym) 22 Naevus 23 Metabolismus=...wechsel 25 Transkriptionsprodukt in der Zelle 26 Akut verlaufende Histiozytosis X im Kleinkindesalter: Abt-Letterer-...-Erkrankung 28 Sphingolipidose: Morbus ...-Pick 29 Abk. für den Logarithmus naturalis Senkrecht: 2 In Südamerika vorkommende durch Mücken übertragene Infektionskrankheit mit Bartonella bacilliformis: ...warze 3 Hypophysenhormon, das bei neuroleptischer Therapie ansteigen kann 4 Lat.: Knochen (Plural) 5 Hochakute Verlaufsform des eosinophilen Lungeninfiltrats: ...-Kindberg-Syndrom 6 Molekül, auf dem die genetische Information gespeichert ist (Abk.) 7 Streichfähige Arzneimittelzubereitung 8 Lat.: Kniescheiben 9 Abk. für Absolutus 11 Syndrom mit Lungensilikose und primär chronischer Arthritis (Eponym) 14 Spinnengliedrigkeit (Syndrom; Eponym) 16 Erbliche Mikrophthalmie in Kombination mit multiplen Fehlbildungen (Eponym, Syndrom) 17 In Westafrika vorkommendes Fieber infolge einer Arena-Virus-Infektion 18 Wenn der Nystagmus einer Lagerungsprüfung zur Seite zum unten liegenden Ohr schlägt, nennt man den Nystagmus ...trop 24 Galle (Lat.) 25 Chem. Elementsymbol für ein radioaktives Edelgas 27 Abk. für West-Nil-Virus (tropisches Flavivirus) Die Buchstaben in den Kreisen ergeben das Lösungswort. Die Auflösung finden Sie auf Seite 19. IMPRESSUM Herausgeber: Offizielles Organ der FASIM – Verband der intensivmedizinischen Gesellschaften Österreichs Österreichische Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin und Notfallmedizin (ÖGIAIN) Deutsche Gesellschaft für internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) Deutsche Sepsis-Gesellschaft e.V. (DSG) - Österreichische Sepsis-Gesellschaft Erscheinungsort: Wien; Verbreitung: Deutschland, Österreich, Schweiz Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Wilfred Druml, Prof. Dr. A. Valentin, Prof. Dr. Karl Werdan, DGKP Christian Vaculik Beirat: Prof. Dr. M. Buerke, Prof. Dr. H. Burgmann, Prof. Dr. Frank M. Brunkhorst, PD Dr. Martin Dünser, Prof. Dr. R. Erbel, Prof. Dr. H. Gerlach, Prof. Dr. U. Janssens, Prof. Dr. M. Joannidis, Prof. Dr. H.P. Kierdorf, Prof. Dr. A. Laggner, Prof. Dr. K. Lenz, Prof. Dr. Christian Madl, Prof. Dr. K. Reinhart, Prof. Dr. B. R. Ruf, Prof. Dr. E. Schmutzhard, Prof. Dr. G.W. Sybrecht, Prof. Dr. H.J. Trappe, Prof. Dr. S. Weilemann, Prof. Dr. T. Welte, Prof. Dr. Ch. Wiedermann Der Inhalt namentlich gekennzeichneter Beiträge spiegelt die Meinung der Verfasser wider und muss nicht mit jener der ÖGIAIN, DGIIN, DSG, Österreichischen Sepsis-Gesellschaft bzw. der Redaktion und dem Verlag übereinstimmen. Bei Beiträgen mit der Kennzeichnung Pharma- bzw. Med. Tech.-Forum haftet für den Inhalt der Auftraggeber (Wirtschaft). Ziele der INTENSIV-News: Information und Diskussionsforum zu aktuellen Themen der Intensivmedizin und Notfallmedizin Kommentare und Zuschriften erbeten an: Für die ÖGIAIN: wilfred.druml@meduniwien.ac.at und andreas.valentin@meduniwien.ac.at; für die DGIIN: karl.werdan@medizin.uni-halle.de; für die DSG: frank.brunkhorst@med.uni-jena.de; für die Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege: christian.vaculik@chello.at; Internet: www.intensivmedizin.at Heftpreis: €10,-, Jahresabonnement: €60,Copyright & allgemeine Hinweise: Mit der Annahme eines Beitrags zur Veröffentlichung erwirbt der Verlag vom Autor alle Nutzungsrechte, insbesondere das Recht der weiteren Vervielfältigung und Verbreitung zu gewerblichen Zwecken mit Hilfe fotomechanischer oder anderer Verfahren sowie im Internet. Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen sind anhand anderer Literaturstellen oder der Packungsbeilage auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Verlag übernimmt keine Gewähr. Verleger/Anzeigen: Medicom Verlags GmbH, Koloman-Wallisch-Platz 12, Postfach 1, A-8600 Bruck/Mur, Tel.: +43/3862/56 400-0, Fax: +43/3862/56 400-16 Medicom Schweiz Verlags GmbH, Baarerstrasse 86a, CH-6300 Zug E-Mail: office@medicom.cc, Intensiv-News-Archiv unter: www.medicom.cc Nr. 3, 2, 2012 Kongresse ■Kompaktkurs für Internistische Intensivmedizin 7. - 9. September 2012 Saal St. Josef REGENSBURG, Deutschland Information: volker-herold@gmx.de www.kurs-internistische-intensivmedizin.de AKUT: Dt. Forum für Notfallmedizin & Rettung 5. - 6. Oktober 2012 Messe Bremen BREMEN, Deutschland Information: info@akut-bremen.de www.akut-bremen.de ■ESICM - 25rd Annual Congress European Society of Intensive Care Medicine 13. - 17. Oktober 2012 CCL-Lisbon LISBON, Portugal Information: Barcelona2012@esicm.org www.esicm.org ■Resuscitation 2012 – Congress of the European Resuscitation Council „Working together to save lives” 18. - 20. Oktober 2012 Hofburg WIEN, Österreich Information: www.erc.edu ■Refresher-Kurs 2012 der DGIIN Inter. Intensivmed. u. Vorbereitung zur „Fakultativen Weiterbildung in der Intern. Intensivmedizin“ 5. - 9. November 2012 Leipziger KUBUS LEIPZIG, Deutschland Information: info@aey-congresse.de www.aey-congress.de ■12. DIVI-Kongress 2012 „Erfolg durch Interdisziplinarität“ 5. - 7. Dezember 2012 CCH - Congress Center Hamburg HAMBURG, Deutschland Information: www.divi2012.de Refresher-Kurs 2012 der DGIIN 10. - 14. September 2012 KWA57 bzw. MH-Hannover HANNOVER, Deutschland Information: info@aey-congresse.de www.aey-congress.de ■Der Hauptstadtkongress - HAI 2012 „Zwischen Intuition & Evidenz“ 13. - 15. September 2012 ICC Berlin – Internationales Congress Centrum BERLIN, Deutschland Information: www.hai2012.de ■AIC 2012 - Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin „Anästhesie und Analgesie: BEWUSST gegen den Schmerz“ 13. - 15. September 2012 Alpen-Adria-Universität Klagenfurt KLAGENFURT, Österreich Information: office@oegari.at ■■ICU-Beginner-Kurs 2012 DGIIN-Intensivkurs für Einsteiger 17. - 21. September 2012 DocLab Universitätsklinikum Tübingen TÜBINGEN, Deutschland Information: info@aey-congresse.de www.aey-congress.de ICU-Beginner-Kurs 2012 DGIIN-Intensivkurs für Einsteiger 17. - 21. September 2012 Universitätsklinikum Regensburg REGENSBURG, Deutschland Information: info@aey-congresse.de www.aey-congress.de Auflösung Intensivmedizinisches Rätsel Waagerecht 1 PUPPE 3 POL 8 PEARSON 10 ACARBOSE 12 LATUS 13 LAHM 15 PELLAGRA 19 ELLE 20 A 21 KEHR 22 MAL 23 STOFF 25 RNA 26 SIWE 28 NIEMANN 29 LN ■43. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für INNERE MEDIZIN „Entzündung und Immunität“ 20. - 22. September 2012 Grazer Stadthalle GRAZ, Österreich Information: azmedinfo@media.co.at Senkrecht 2 PERU 3 PROLAKTIN 4 OSSA 5 LOEHR 6 DNA 7 SALBE 8 PATELLAE 9 ABS 11 CAPLAN 14 MARFAN 16 LENZ 17 LASSA 18 GEO 24 FEL 25 RN 27 WN ■■25. ADNANI-Sitzung der Arbeitsgemeinschaft deutschsprachiger Neuroanästhesisten und Intensivmediziner „Neurospecifics am Beginn des 21. Jahrhunderts“ 22. - 23. Juni 2012 Tagungszentrum der Universität Ulm Schloss Reisensburg GÜNZBURG, Deutschland Information: monika.feinle@uniklinik-ulm.de Das Lösungswort lautet „MITOCHONDRIEN“ ■Nr. 3, 2, 2012 Kongresse „Helfen berührt“ sucht Sachspenden für den weiteren Ausbau der Intensivstationen in der Mongolei Kontakt: martin.duenser@i-med.ac.at, gwiszmanuel@hotmail.com Unser Spendenkonto: Kto.-Nr. 21011125913, BLZ: 57000 (Hypo Tirol Bank AG) IBAN: AT90 5700 0210 1112 5913 SWIFT/BIC: HYPTAT22 Kennwort: „Anästhesiehilfe für die Mongolei“ www.helfen-beruehrt.at Nr. 3, 2, 2012 Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege Grenzen der Belastbarkeit Herr Werner P. ist 54 Jahre alt, geschieden. Er hat eine erwachsene Tochter. Von Beruf ist er Zahntechniker. Er hat die Interessen des Durchschnittwieners: Fußball und Heurigenbesuche. Der Zigarettenkonsum beläuft sich auf 100 Stück pro Tag. Laut Aussage seiner Exgattin ist er ein „Lebemann“. Zu Weihnachten wird Herr P. in einem Wiener Schwerpunktkrankenhaus wegen einer Lobärpneumonie mit hohem Fieber aufgenommen. Während des Aufenthalts tritt eine akute Ischämie des linken Beines bei bekannter pAVK auf. Er wird ins Allgemeine Krankenhaus Wien transferiert, wo im Jänner eine Unterschenkelamputation durchgeführt wird. Postoperativ kommt es zu einer Funktionsverschlechterung der artherosklerotisch vorgeschädigten Niere. Als Ursache bietet sich die wiederholte Kontrastmittelgabe bei den Angiographien und Computertomogrammen an. In weiterer Folge muss eine regelmäßige Dialysetherapie durchgeführt werden. Im Sputum wird ein Pseudomonas aeruginosa und ein Enterococcus faecalis nachgewiesen, im Blut ein erhöhter Antikörpertiter gegen Mycobakterium tuberculosis. Die Entzündungsparameter sind erhöht, der Patient aber afebril. Das Thorax-CT zeigt eine abszedierende Pneumonie des rechten Unterlappens mit zunehmender Zerfallshöhe der Lunge. Außerdem manifestiert sich eine gastrointestinale Blutung, die aber konservativ therapiert werden kann. Acht Tage später wird beim Wechsel des Dialysekatheters ein Pneumothorax an der gesunden linken Lunge verursacht, der bald Spannungszeichen aufweist. Herr P. erhält eine Thoraxdrai- nage und muss über einige Stunden beatmet werden. Nach Extubation wird er am nächsten Tag auf die Normalbettenstation rücktransferiert. Nach neuerlich auftretenden Spannungszeichen kommt Herr P. wieder auf unsere Intensivstation, wo sich sein Zustand bald stabilisiert. Zur Punktion des Lungenabszesses im rechten Unterlappen wird Herr P. sediert, intubiert und beatmet. Er ist anurisch und wird regelmäßig dialysiert. Der Stumpf des linken Beines zeigt Nekrosen und eitriges Sekret am Grund der Wundhöhle. Immer wieder kommt es zu respiratorischen Einbrüchen, der Thoraxdrain im rechten Unterlappen fördert viel, links treten immer wieder Spannungszeichen auf, die Drainage ist intermittierend unter Sog. Herr P. wird auf den Bauch gedreht, tiefer sediert und relaxiert. Nach massiven Blutdruckeinbrüchen wird er wieder auf den Rücken zurückgelagert und erhält einen Pulmonaliskatheter. Es besteht der Verdacht einer Sepsis. Am 38. Aufenthaltstag wird Herr P. schließlich im rechten Unterlappen lobektomiert. Postoperativ ist er stabil, die Sedierung wird beendet. Erstmals wird im Bronchialsekret ein MRSA (methicillinresistenter Staphylokokkus aureus) festgestellt. Therapie: Vancomycin. Der Patient atmet auf ASB, ist aber nicht kontaktierbar. Im cranialen Computertomogramm wird ein frischer Mediainsult mit einem Hirnödem über der gesamten linken Hemisphäre festgestellt. Es besteht eine schlaffe Hemiparese rechts. Nr. 3, 2, 2012 An den weiteren Tagen ist er hämodynamisch und respiratorisch stabil, die Pleuradrains können gezogen werden. Die Entzündungsparameter schwanken in relativ hohen Bereichen, die Temperatur bewegt sich zwischen 36.8°C und 39°C. Der Candida-Antigentiter im Serum ist hoch, es wird außerdem noch ein Staphylokokkus epidermidis an einer Cavaspitze gefunden. Herr P. ist weiterhin dialysepflichtig. Am Amputationsstumpf des linken Beines entsteht eine feuchte Gangrän. Eine weitere Amputation wird diskutiert. Es gelingt den Stumpf mit lokaler Therapie trocken zu bekommen; von einer chirurgischen Intervention wird Abstand genommen. Am 10. postoperativen Tag öffnet Herr P. erstmals die Augen und ist bedingt kontaktierbar. Es tritt eine neuerliche Magenblutung auf, die wiederum konservativ behandelt wird. Eine Gastroskopie zeigt mehrere kleine Erosionen auf der Magenschleimhaut. In den nächsten Tagen ist Herr P. zwar somnolent, aber ansprechbar. Er wird tracheotomiert und mit einer PEG-Sonde versehen. Wir sind motiviert und auf Rehabilitationskurs Nach 120 Aufenthaltstagen: Herr P. liegt im Isolierzimmer. Die rechte Seite ist gelähmt, die rechte Schulter luxiert. Sie bereitet ihm starke Schmerzen - vor allem beim Drehen und Lagern. Der rechte Fuß ist stark nach außen rotiert. Die linke Hand ist eine Fallhand, entstanden durch eine periphere Nerven- Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege Abb.: Alle Personen sind mit OP-Haube, Gesichtsmaske, Mantel und Handschuhen vermummt. läsion unbekannter Genese. Er kann damit aber wenigstens winken. Das teilamputierte Bein kann er auch bewegen. Der Stumpf schmerzt stark. Herr P. sieht gern fern, sonst ist er kaum zu motivieren, irgendwelche Aktivitäten zu setzen. Er will nicht seitengelagert werden, er will nicht in den Lehnstuhl – nicht einmal nach Gabe von Analgetika. Alle Personen, die sein Zimmer betreten, sind mit OP-Haube, Gesichtsmaske, Mantel und Handschuhen vermummt. Er kann nicht einmal ein Lächeln erkennen. Mehrmals die Woche wird er dialysiert. Sein MRSA im Bronchialsekret und der multiresistente Pseudomonas begleiten ihn auch weiterhin. Die Entwöhnung von der Beatmungsmaschine gestaltet sich als besonders schwierig. Wir pendeln zwischen kontrollierter Beatmung und high-flow CPAP. Herr P. hat Angst, ohne die Maschine zu atmen. Er hat Angst zu ersticken – ohne Alarm. Doch wir haben uns fest vorgenommen, ihn vom Respirator zu entwöhnen. Schließlich hat er einen Rehabilitations-Platz am „Weißen Hof“ zugesagt bekommen. Das ist die Chance für ihn – den hemiplegischen, unterschenkelamputierten Herrn P. mit der peripheren Nervenlähmung an der „gesunden“ Hand. Eigentlich ist es die Chance für uns, ihn weiterreichen zu können. Wir geben unser Bestes, wir motivieren uns gegenseitig, wir schaffen es aber kaum, Herrn P. zu motivieren. Es kommt immer wieder zu Komplikationen. Es tritt eine weitere gastrointestinale Blutung auf, der Stumpf wird rezidivierend gangränös, mehrmals wird eine Stumpfrevision in Betracht gezogen. Sämtliche venöse Zugänge, die PEG-Sonde und der DK vereitern immer wieder. Die Entzündungsparameter sowie die Körpertemperatur undulieren. Überall finden sich MRSA und Pseudomonaden, die dann therapeutisch kurzfristig doch unter Kontrolle gebracht werden können. Wider Erwarten schaffen wir es dann doch. Herr P. braucht keine Atemunterstützung mehr. Das Tracheostoma wird verklebt. Herr. P. atmet befriedigend. Er hat maximal zwei Bronchospasmen pro Tag und wird jedesmal durch Medikamente, physikalische Atemunterstützung und nicht zuletzt durch gutes Zureden an der Rekanülierung vorbeigeführt. Wir freuen uns – doch Herr P. hat Angst zu ersticken. Wir wollen, dass er mit uns spricht – er Nr. 3, 2, 2012 kann nicht sprechen. Der Insult wirkt sich auch als motorische Aphasie aus. Außer einem heiseren Krächzen, wenn er etwas überhaupt nicht will, bringt er kein Wort heraus. Wir lassen uns nicht erschüttern, wir glauben an den „Weißen Hof“ und die Logopädie. Herr P. glaubt an gar nichts mehr. Er will nicht einmal essen, obwohl der Schluckakt positiv ist. Außer einigen Löffeln Eis vom Italiener weigert er sich, auch nur irgendetwas zu sich zu nehmen. Es wäre so wichtig für ihn, denn die Sondenkost verursacht immer wieder starke Durchfälle. Die Haut am Gesäß sieht dementsprechend aus. Seine Exgattin, seine Tochter und sein Bruder besuchen ihn regelmäßig. Sie sind fassungslos. Es sollte einerseits mehr für ihn getan werden, andererseits hätte das alles sowieso keinen Sinn. Er als Lebemann würde diese Situation nie akzeptieren. Wir fühlen uns missverstanden Ein neuerlicher Anlauf. Wir führen Herrn P. trotz MRSA (die Hygieneschwester möge uns verzeihen) mit seinem Bett ins Freie. Die Sonne scheint. Herr P. lächelt. Er freut sich offensichtlich. Von nun an wollen wir jeden Tag mit ihm hinausfahren. Grenzen der Belastbarkeit Nach dem 4. Mal will Herr P. nicht mehr. Er will nicht mehr ins Freie, er will auch nicht mehr atmen. lange Zeit übersehen. Wir wollten ihm das Gegenteil beweisen. Er hat sich durchgesetzt. Nach der Rekanülierung atmet er auf ASB, später wird er kontrolliert beatmet. Das Fieber steigt, er wird somnolent. Krampfanfälle und Myoklonien treten auf. Es entsteht im Team eine endlose Diskussion über eine eventuelle AND-Order. Schließlich wird sie ihm zugestanden. Es war nicht leicht, wir hatten doch immer wieder die Situation in den Griff bekommen. Herr P. ertrug während seines Aufenthalts im AKH die Punktionen von: Und jetzt geben wir auf? Auf Dialyse und antibiotische Therapie wurde verzichtet. Herr P. wurde stark analgesiert und starb Mitte Juni nach 159 Aufenthaltstagen, von 120 auf 60 kg abgemagert, im Beisein seiner Tochter und seiner Ex-Gattin. Es schien ihm unmöglich, unter solchen Bedingungen weiterzuleben. Das haben wir ■14 zentralen Venenkathetern ■8 Arterienkathetern ■1 Pulmonaliskatheter diziner, nicht die Operationswut der Chirurgen. Es ist die Hoffnung, die wir immer wieder von Neuem schöpfen. Die Hoffnung auf einen Erfolg unseres Schaffens. Wir leben davon. Wir müssen jedoch immer darauf achten, nicht nur den Augenblick zu beurteilen, sondern unser Hauptaugenmerk auf die Gesamtsituation des Patienten zu legen. weiters ■3 Pleurapunktionen ■3 Gastroskopien ■2 Bronchoskopien ■1 Sternalpunktion und die Anlage von ■1 PEG-Sonde und ■1 Tracheostoma Solche Schicksale erregen die Gemüter. Trotzdem passieren sie immer wieder, an fast allen Intensivstationen. Es ist nicht die Allmacht der Intensivme- Christian Vaculik, DGKP Universitätsklinik für Innere Medizin III/Gastroenterologie Intensivstation 13H1 Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien christian.vaculik@akhwien.at Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege Schlafentzug: Wenn die Nacht zum Tag wird Intensivpflegepersonen sind während ihrer Arbeit höchsten psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt. Charakterstärke, fundiertes Fachwissen, schnelles und kompetentes Reaktionsvermögen in Notfall- bzw. Ausnahmesituationen, empathische Angehörigenbetreuung, sicheres und konzentriertes Arbeiten auch unter Stress, sind nur einige Anforderungen an das Pflegepersonal in einer Intensivstation. Ein permanenter Druck, dem es immer wieder gilt standzuhalten, erfordert konsequente berufliche Disziplin. Dies kann aber auch physische und psychische Spuren hinterlassen. In Nachtdiensten verstärken sich für manche Pflegepersonen diese Belastungen zusätzlich. Oft ist es eine große Herausforderung, die Konzentration und Aufmerksamkeit vor allem in der Zeit zwischen 4:00 und 7:00 Uhr trotz aufkommender Müdigkeit aufrecht zu erhalten. Wer tagsüber schlafen und nachts arbeiten muss, kämpft immer gegen die „innere Uhr“ seines Körpers an. Deswegen belasten Nachtschichten den Körper ganz besonders und sind häufig Ursache für gesundheitliche Probleme. Wenige Stunden nach Mitternacht hat unser Körper eigentlich nur einen Wunsch: Er möchte schlafen. Der menschliche Organismus ist an einen 24-stündigen Tag-Nacht-Rhythmus gebunden, in dessen Verlauf das absolute Leistungstief zwischen zwei und fünf Uhr nachts erreicht ist. „In dieser Phase ist der gesamte Organismus auf Ruhe eingestellt und das gleiche Arbeitspensum kostet jetzt viel mehr Kraft als am Tage“, erklärt Matthias Wilhelm von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Nachtschichten sind aber nicht nur an- Abb.: Es ist in den Morgenstunden eine große Herausforderung, die Konzentration und Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. strengend, sie können auf Dauer auch gesundheitsschädlich sein und das soziale Leben negativ beeinflussen. Magen-Darmbeschwerden, Reizbarkeit, erhöhtes Brust- und Darmkrebsrisiko sowie Depressionen. Desynchronisation der inneren Uhr Ausreichend Schlaf ist das Mittel der Wahl, um Tragödien vorzubeugen. Der Schlafforscher W. Dement kreierte das Wort „Schlafschuld“. Er benutzte diesen Terminus, weil akkumulierter Schlafverlust wie eine Geldschuld ist: Sie muss zurückbezahlt werden. Schlafentzug und kumulative Schlafschuld bringen auf Dauer ernsthafte gesundheitliche Schäden mit sich – Schäden, wie Schwächung des Immunsystems, vorzeitige Alterung der Haut oder vegetative Entgleisungen unseres Organsystems. Nachtarbeiter leben gleichzeitig in mehreren Zeitzonen („Shiftlag“). Sie können sich chronobiologisch nie ganz anpassen, da ihre innere Uhr immer wieder verstellt wird. Freie Zeit wird meistens tagaktiv verbracht, um am normalen Leben teilzunehmen und der sozialen Isolation durch die Nachtarbeit entgegenzusteuern. Auf der anderen Seite steht die sich ständig wiederholende Nachtarbeit. Die am meisten bei Nachtarbeitern auftretenden Gesundheitsrisken (Shiftlag Symptome) sind Schlafstörungen, Müdigkeit, Herz-Kreislauferkrankungen, Nr. 3, 2, 2012 Intensivpflegepersonen sind während der Ausübung ihrer Nachtdienste einer großen Anzahl von Reizen ausgesetzt. Schlafentzug Diese können das vegetative Befinden des Intensivpersonals stark beeinflussen. Eine Möglichkeit zur Gesunderhaltung des vegetativen Nervensystems liegt in der Kunst, gänzlich abschalten zu können. Funktioniert dieser Regenerationsmechanismus, dann ist es Intensivpflegepersonen möglich, Reize wie ein Blitzableiter unbeschadet erden zu können. Tabelle: Hilfreiches Verhalten bei Schlafstörungen ■■■■■■■Blutdruck und Kreislauf ■Die Arbeit auf einer Intensivstation verlangt, dass der Kreislauf einer Intensivpflegeperson im Notfall von Null auf Hundert funktionieren muss. Der Blutdruck reagiert langfristig ganz empfindlich auf beruflichen Stress. Im Nachtdienst können durch Notfälle starke Adrenalinstöße den eigentlich auf „Nachtrhythmus“ eingestellten niedrigen Blutdruck und auch die Herzfrequenz extrem stark ansteigen lassen. So kann es passieren, dass in einer Notfallsituation ein Missverhältnis der Organperfusion mit den dazugehörigen Symptomen entsteht. Dauerstress in Kombination mit Genussmittelkonsum Auf einer Intensivstation ist Stress bei der Arbeit ein ständiges, schon vorprogrammiertes Faktum. Latent ist er fast immer vorhanden, da sich das Intensivpflegepersonal ständig in erhöhter Bereitschaft halten muss. Unter diesem Leistungsdruck kann sich das Verhalten des Einzelnen verändern und in Gereiztheit oder Ängstlichkeit umschlagen. Unter diesen Arbeitsbedingungen erhöht sich die Arbeitsgeschwindigkeit und der Erwartungsdruck steigt. Fehler sind nicht erlaubt, da sie durchaus lebensbedrohliche Folgen für den Patienten haben können. Halten Stresssituationen – ohne Stressabbau – über einen längeren Zeitraum an, kann es zu ernsthaften psychischen ■■■■■Das Schlafzimmer vor Lärm und Helligkeit schützen. Auf „Einschlafhilfen“ wie Medikamente oder Alkohol verzichten. Eine tägliche Schlafzeit von 7,5- 8 Stunden einhalten. Vor allem am Ende und nach der Nachtschicht keine anregenden Getränke zu sich nehmen. Gesunde und leichte Ernährung, auch über die Nacht verteilt. Feste Essenszeiten auch am Tag einplanen. Möglichst an gemeinsamen Mahlzeiten mit der Familie teilnehmen. Soziale Isolation vermeiden. Nicht mehr als vier Nachtdienste hintereinander arbeiten. Nach einer Nachtschichtphase mindestens 24, besser 48 Stunden Ruhe einhalten. Geblockte ganze freie Tage sind günstiger als einzelne freie Tage. Ausreichende Beleuchtung in den Arbeitsräumen. Freiwilligkeit bei der Schichtwahl ist vorteilhaft, da derjenige, der die Schicht selbst bestimmt, diese auch besser „verträgt“. Schichteinteilung planbar und vorhersehbar gestalten. und psychosomatischen Erkrankungen kommen. Oft greifen Intensivpflegepersonen in solch angespannten Situationen zu den ungesunden „Bewältigungshelfern“, wie z. B. Schokolade, Kaffee und erhöhtem Nikotinkonsum, und nach dem Dienst oft auch zu Alkohol. Neben Alkohol sind die absoluten „don`ts“ Kaffee im Übermaß und natürlich Nikotin. Dass Kaffee munter macht, ist allgemein bekannt, aber nur wenn er leicht gezuckert ist. Zuviel Koffein kann sich aber auch ungünstig auswirken. Er löst in großen Mengen eingenommen Konzentrationsschwächen und Nervosität aus. Nikotin löst eine wohlige Gefühlskaskade im Belohnungszentrum des Gehirns bei Rauchern aus. Aber letzten Endes stresst das Rauchen. Viele Raucher behaupten, dass sie durch das Rauchen einer Zigarette Stress abbauen können. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Der scheinbar entspannende Effekt des Rauchens kommt nur dadurch zustande, dass durch den Griff zur Zigarette die Entspannung, die durch das Sinken des Nikotinlevels entNr. 3, 2, 2012 standen ist, wieder aufgehoben wird. Ein starker Raucher braucht also bald eine weitere Zigarette, um den Entzug zu bekämpfen. Nikotinabhängigkeit ist eine direkte Ursache von Stress. Somit erleiden Raucher durch das wiederholte Empfinden negativer Stimmungen zwischen den Zigaretten noch zusätzlichen Stress. Ein Teufelskreis entsteht. Zusätzlich birgt das Rauchen die allgemein bekannten Risiken wie HerzKreislauferkrankungen, COPD, Asthma Bronchiale und viele mehr. Schlafstörungen Nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche spürt die Belastungen der Nachtschicht. Typische Symptome können Müdigkeit, Nervosität oder Anspannung sein. Manchen Pflegepersonen fällt es schwer, sich nach dem Dienst zu entspannen oder einfach abzuschalten. Im schlimmsten Falle greift Intensivpersonal nach einem belastenden Dienst zu Alkohol oder Pharmaka, um sich endlich entspannen zu können. Gesündere Strategien können Atemübungen, Autogenes Training, Auto- Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege suggestion, Meditation und ähnliche Praktiken sein. Ebenso ist natürlich auch auf körperliche Fitness zu achten. Gesundheits- und Krankenpflege im Schichtdienst ist vergleichbar mit den Leistungen eines Sportlers. Richtige Ernährung Speziell auf Intensivstationen wechseln die Anforderungen an eine Pflegeperson oft extrem schnell. Keine Zeit für bewusste, ruhige Nahrungsaufnahme kombiniert mit falscher, oft schwerverdaulicher Ernährung belasten den Körper zusätzlich. Durch die unter Stress vermehrte Säureproduktion im Magen und dem daraus resultierenden Basenmangel wird eine mögliche Gastritis begünstigt. Im schlimmsten Fall kann es zu ulcerativen Veränderungen mit all seinen Komplikationen kommen. Verdauungsprobleme, Völlegefühl, Verstopfung und Reizdarmsyndrom sind die ersten Anzeichen bei ungesunder Ernährung. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt bei Nachtarbeit zur Schonung des Verdauungstraktes leichte Speisen. Positiv seien „Abendessen“ zwischen 19.00 und 20.00 Uhr, eine warme Mahlzeit gegen Mitternacht und eine Zwischenmahlzeit rund zwei Stunden vor dem Dienstende. Essen nach einem Mahlzeitenplan während der Nachtarbeit hilft gegen ein zu starkes Absinken des Blutzuckerspiegels. Die warme Mahlzeit sorgt für den Erhalt einer adäquaten Körpertemperatur, verleiht das Gefühl, etwas Richtiges gegessen zu haben und wirkt belebend. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Nachtdienste, egal in welchen Bereichen des Krankenhauses, den Biorhythmus des Menschen durcheinander bringen. Dadurch sind Nachtdienste sehr belastend speziell für Herz-Kreislaufsystem, Magen und Darm. Genau diese Systeme gilt es im Besonderen zu schützen. Weiters wirken Stressoren, wie ständige Alarme, blitzschnelles Reagieren sowie hochkonzentriertes Arbeiten im Nachtdienst belastend auf den Organismus des Pflegepersonals. Aber es gibt gute Möglichkeiten, um die Belastbarkeitsgrenze hochzuhalten. Verhindern von Schlafdefiziten, gesunde und nicht belastende Speisen im Nachtdienst, ausreichend trinken sind schon sehr gute Hilfsmittel und Wege, die körperliche Belastung zu minimieren. Entspannung nach anstrengenden Dienstfolgen macht uns wieder ruhiger und stressresistent. Michael Holzer, DGKP Wien s.severin@gmx.at ! t ej tz Willkommen in der Zukunft Ihr Fachmagazin als App und e-p@per Ärztezeitung App M E D iC O M Koloman-Wallisch-Platz 12, Postfach 1, A-8600 Bruck/Mur, T: +43(3862) 56 400-0, office@medicom.cc, www.medicom.cc
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